Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
gefolgt von Schinken und Zunge in Zucker-Mandel-Sulz auf neapolitanische Art zubereitet. Pastelli bianchi alla tedesca, eine Art Schmalzkrapfen, hatte der Leibkoch des Hauses Gonzaga ausgebacken.
Nun folgten bayrische Spezialitäten:
Hirsch in dunkler Brühe mit gehackten Mandeln und Moosbeeren, gebratene Kapaunleber, gekochte Kalbsfüße mit Pfeffer und Petersilie, geräucherte weiße Renken in Orangensaft und Pfeffer, Törtchen mit Krebsschwänzen und Reiherpastete, Hechtmilz und Fischklöße, gebackene Köpfe vom Lamm und Zicklein, mit Steinhühnern gefüllte Gänse, Auerhähne, den Kropf mit Mandeln und Weinbeeren gefüllt, Wildsauen in Granatapfelsauce, Hecht in Rosenwasser, Kalbskopf mit Safran und Eiern, gelbe Kaisersuppe mit Schlagrahm.
Ein Gang umfasst vierzig Schüsseln Salat aus Würzkräutern mit kandierten Zitronenscheiben, die gleiche Menge Schüsseln gefüllt mit Fischrogensalat, nochmals vierzig Schüsseln Salat aus Pfauenfleisch und Pomeranzen mit rotem Essig, fünfzehn Schüsseln Salat aus feinsten Trüffeln. Nicht zu vergessen drei Dutzend Mäuse, Igel, Kröten, Schnecken, Eidechsen, Blindschleichen und Maulwürfe, die aus bayrischen Rettichen geschnitzt worden waren.
Manche der Herrschaften sahen so aus, als ob sie alle Tage solche Kost bekämen, so dass Thomele, aus einem Versteck spähend, sich fragte, wieso ihre Seelen, die doch Gottes Ebenbild sein sollen, in solchen Mastschwein-Körpern verharrten.
Allein einhundertfünfzig Kilo schwarzen Pfeffers wäre von den Augsburger Welsern beschafft worden, sagte Jost. Wo Bürgersleut die Körner sich nur einzeln leisten konnten. Doch wer sich mehr leisten konnte, zeigte dies.
„Pfeffert alles, bis es schwarz ist“, verkündete der Bräutigamvater.
Der Höhepunkt des Mahles sollte ein Backwerk sein. Eine Königinnen-Pastete aus zweihundert Zutaten zubereitet. Angeblich. Die Herstellung des Teiges aus feinstem Mehl, Butterschmalz, Eiern, Salz und Eiswasser war noch denkbar einfach. Zur Füllung nur so viel: es wurde viererlei Fleisch mit Gewürzen wie Pfeffer, Salz, Kardamom, Muskatblüte, Ingwer und Portwein zu einer Pastetenfarce verarbeitet.
Nun kam ich ins Spiel, al dente zubereitet. Zunächst legte man mir eine eigens für mich in Prag gefertigte Rüstung an, nur das Beinzeug fehlte, damit ich mich zusammenkauern konnte. Dann hob man mich in eine kleine Kiste. An deren Oberseite befand sich anstatt eines Deckels ein dünnes Netz, damit ich leicht hervorbrechen könne.
Nach wenigen Minuten waren meine Glieder taub und die Gelenke schmerzten. Man hob die Kiste auf einen Wagen und setzte die kutschenradgroße, dampfende Pastete auf.
„Lasst mich nicht sterben für ein paar Maulvoll Fleisch und Teig“, war alles, was ich herausbrachte, bevor Jost mein Visier schloss und ich in dem salzigen Kuchen verschwand.
Meine Angst war nicht unberechtigt. Am Dresdner Hof war eine Zwergin aus einem kandierten Früchtekuchen herausgelöffelt worden. An ihrem Erbrochenen erstickt, ein peinliches Versehen.
Dazu müsst ihr wissen, dass ich, der Gnom, mich in kleinen Räumen fürchte. Doch Jost galt nicht umsonst als Pastetengott. Stach einen Strohhalm durch die Teigkruste, dekorativ unverdächtig mit einem bayrischen Rautenfähnchen geschmückt, führte den Halm durch das Netz und durch die Sichtblende des Visiers in meinen Mund. Damit ich den Halm nicht panisch zerbiss, klemmte er mir einen Taler zwischen die Zähne. Einen geweihten Herz-Jesu-Taler für einen Zwerg, der unter viererlei Sorten Fleisch dreifach begraben lag. In einem Kindersarg, mit einem Netz umwickelt, den Körper von Stahlblech umhüllt.
In meinem stummen Entsetzen kam mir ein Lied meiner Mutter in den Sinn. Jetzt und hier die Erinnerung an eine Frau, die mich als vielleicht Fünfjährigen einem mir völlig Unbekannten überlassen hatte. Verkauft wie einen lebendigen Karpfen.
„Wer alle Tage Kuchen isst, Pasteten und Kapaunen, der weiß gar nicht, wann Sonntag ist, und kennt nur schlechte Launen.“
Was wusste eine wie sie von solchen Speisen, wo ihre Brut nur schwarzes Brot und Fischabfälle kannte? Es ging mir nicht aus dem Kopf in der von Schweiß und Fett durchweichten Ewigkeit.
Dann stellte ich mir meinen Herrn vor, wie ich ihn eben noch gesehen hatte, das Gesicht von Wein gerötet. Er saß an der Festtafel und nickte der Frau mit den schönen Nasenlöchern auffällig unauffällig zu. Ihr, die an keiner Tafel sitzen durfte, ihr, die eingequetscht zwischen dem Schaupublikum
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