Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
Vom Netzwerk:
kannst. So, dass dir die Augen übergehen und dein Magen rebelliert. Würze diese Tollwut der Sinne mit einer Prise Lebensgefahr, dann hast du den Hauch einer Ahnung, wie es Thomele bei der Fürstenhochzeit zu München erging.
    Ende Februar wurde Renata von Lothringen mit Wilhelm von Wittelsbach in der Frauenkirche vermählt und drei Wochen lang wurde gefeiert. Musik, Tanz, Theater, Mummereien, Schlittenfahrten, Festgelage und ein Turnier machten aus München das Zentrum Europas. Zum Bersten heiter und zugeschissen.
    Jeder, der etwas auf sich hielt, wollte dem Paar und dem mächtigen Bräutigamvater, Albrecht V. von Bayern, die Aufwartung machen. Mehr als fünftausend Reiter zogen in München ein.
    Mein Herr reiste mit fünfhundertdreißig Pferden und vierzig Kutschen an. Schließlich war der Bräutigam sein Neffe und der frischgebackene Erzherzog schon Tiroler genug, um sich vor den weiß-blauen Nachbarn aufzuplustern.
    Seiner Neigung entsprechend war „Onkel Ferdi“ auch Teil der großen Mummerei: saß als Gott Apoll auf einem in Gold und Rot gehaltenen schweren Wagen, die Vorderseite als Blickfang mit einem Drachenhaupt verziert. Wer hätte ihn übersehen wollen in seinem violetten Gewand mit gleichfarbiger Kopfzier auf einem Thron, den fünf Bögen als architektonisches Firmament überragten? Auf jedem saß eine Musikantin, nett anzuschauen, mit einer Geige, Zither, Trompete oder Laute. Ein Balanceakt. Der Lautenspielerin entglitt ihr Instrument. Es verfehlte Ferdinand nur knapp.
    Fünf Schimmel zogen das geräuschvolle Festwagenungetüm, jeder Gaul von einer lorbeerbekränzten Jungfrau im weißen Unterkleid mit goldenem Brustpanzer geführt. Blendwerk für die Sonne und für Männerherzen.
    Neben den Unschuldsdamen schritten Mohren.
    „So viel zu den Jungfrauen“, schimpfte ein Innsbrucker Knecht, als man ihm Gesicht und Händen schwärzte und er sich in weißen Pumphosen und einem zu engen orientalischen Samtrock wiederfand. Tiroler Mohren oblag es auch, Ferdinands Turnierpferde hinter dem Festwagen herzuführen.
    Zwar würde mein Herr nicht als Kämpfer auftreten, führte jedoch persönlich vor, wie seine „Perle“ und andere Schimmel auf Befehl tanzten und vor dem Brautpaar auf die Knie fielen. Eine Hampelei, die man gerne auch Zwergen zudachte. Mein Auftritt sollte so profan nicht sein.
    Auch bei Tisch gab sich mein Herr ganz unbescheiden: hatte Giftbecher-Gustl, zwei Vorschneider, vier Mundschenke und vierundzwanzig Bedienstete aus Küche und Keller mitgebracht. Darunter Jost.
    Dabei bot das Haus Bayern schon hundertzwanzig Köche auf samt Lakaien und Mägden.
    „Gegen das Gedränge zwischen Bratspießen, an denen ganze Ochsen gedreht werden, Herdfeuern und brodelnden Bottichen ist das Fegefeuer ein Erholungsort“, schimpfte Jost. Galt es doch, 200.000 Eier, 40.000 Hühner, 11.000 Gänse, 1.500 Lämmer, 1.130 Schafe, 235 Spanferkel, 220 Ochsen und 30 Delfine zuzubereiten. Dazu einen Zwerg. Und all dies während der Fastenzeit.
    Zur Befeuchtung der Gaumen gab es 170 Fässer sauren bayrischen Weines und 270 Fässer eines besseren südländischen Tropfens.
    Lassen wir das Hochzeitsmahl beginnen:
    Der Sankt-Georgs-Saal der neuen Residenz schien im Kerzenschein zu brennen. Der Glanz spiegelte sich in vergoldeten, lebensgroßen Löwen, die Bienenkörbe in ihren Pranken hielten. Wo Löwen doch Bienen fürchten. Die Tafeln waren vielschichtig mit Damasttischtüchern bedeckt, die mit jedem Gang abgetragen wurden. Fünf Diener waren allein damit beschäftigt, nach jedem Tischtuchwechsel fünfundzwanzig silberne und goldene Salzgaleeren neu auszurichten. War doch jedem Fürst sein eigenes verschließbares Salzgefäß zugedacht. Die Gefahr, vergiftet zu werden, lauerte überall. Geschärfte Tischmesser lagen bereit. Mein Herr präsentierte sein eigenes Schaubesteck: ein Messer samt neumodischer Gabel, die Griffe aus kostbaren roten Korallenästen gefertigt. Kostbar und unpraktisch.
    Orlando di Lasso hatte eine Tischmusik komponiert. Eine heitere Motette zu jedem Gang stimulierte auch die Körpersäfte. Mein Herr bestellte gleich eine eigene Verdauungsmusik. Unermüdlich schwärmte der bayrische Hofmusikmeister mit einem Schwarm an Musikern, Solisten und Sängerknaben aus. Jede Belustigung wurde mit vier- bis achtstimmigen Motetten all’ italiana begleitet.
    Italienische Leckereien sollten auch die Mägen öffnen:
    Mandel-Honig-Dragees nach dem Rezept von Cristoforo da Messisbugo, Hofkoch des Hauses Ferrara,

Weitere Kostenlose Bücher