Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Schleunigst. Besser gleich zwei.
Offen gegen die Frau zu reden, die seine erklärte Favoritin war, wäre unklug. So galt es, diese alte Protestantin an den Pranger zu stellen. Und diesen Zwerg, dessen Raffinesse alle verblende.
Schon aus Prag waren Unflätigkeiten durchgedrungen. Hätte der kleine Satan doch den Weihbischof von Toledo bis zum Nabel entblößt.
Nun sei die Hofburg sein Narrenschiff.
Dass er Gebetbücher stehle, sei der Gipfel der Barbarei.
Die Loxan, böhmische Grafenwitwe hin oder her, hätte Ferdinand als Kupplerin geködert und dann ihrer Nichte zugeführt.
Der Zwerg verderbe nun Ferdinands soldatisches Wesen gänzlich. Er sei wie ein kleiner Spiegel, der jedes Antlitz verzerre und nur das Grobporige, Unvorteilhafte widerspiegle. Wieso führe ein Ritter vom Goldenen Vlies, ein Kämpfer für den rechten Glauben, ein Befürworter der heiligen Inquisition, sich sonst so auf?
Man höre, der Zwerg hätte schon auf dem Weg nach Tirol mit mehreren Frauen Unzucht getrieben. Sogar mit der Rosenbergin, die – natürlich – Protestantin sei.
Jetzt trieben der Zwerg und diese Loxan mit Dr. Keller ihr Spiel.
Hatte er ihre Schwester Margaretha nicht gut betreut? War bei Nacht und im ärgsten Schnee an ihr Bett geeilt, um die faulen Stoffe aus ihrem Blut auszuleiten. Wenn auch leider vergebens.
Wäre die böhmische Kupplerin ausgeschaltet, könne man die ganze Brut davonjagen. Und Ferdinand diese unwürdige Liebe ausreden. Hoffentlich.
Was bräuchte der Bruder ein Lustschloss, wo es eine Hofburg gäbe?
„Ihr hohen Frauen, nehmt euren Bruder tüchtig ins Gebet. Gespart muss werden. Und verkauft den Zwerg, der bringt ein Sümmchen Geld“, hatten die Landstände gefordert, als sie bei ihnen – den Königinnen von Hall – vorstellig geworden waren.
So, ungefähr, ging es bei Ferdinands Schwestern zu. Im allerbesten Glauben, sagt der Zwerg.
Hätte sich nicht eine der Verfemten ein Herz gefasst und wäre zur Hofburg geritten, wäre es für die beiden Angeklagten sicher übel ausgegangen.
Und Anna Welser war nicht gekommen, um sich abweisen zu lassen. Eine Welser hält stand!
Die Mutter der Frau mit den schönen Nasenlöchern führte drei Beweisstücke bei sich.
Einen Brief aus der Hand ihres Mannes Franz Welser aus Ravensburg, wo er jetzt lebte:
Er könne bestätigen, dass ein Dr. Keller vor gut fünf Jahren bei ihm vorgesprochen habe, mit dem Versprechen, er könne Gold aus unedlen Metallen machen.
Er hätte ihn abgewiesen. Mit seinem Bruder, dem ehrbaren Bartlmä Welser, seien die Goldträume der Welser gestorben. Der Erzherzog wisse dies ja. Es sei ihm aber zu Ohren gekommen, dass Anton Fugger diesem Dr. Keller tausend Gulden übereignet habe, ohne die versprochene Gegenleistung.
Die Besucherin zog ein zweites Schreiben hervor. Obwohl sie ihre Bürgerrechte in Augsburg aufgekündigt hatte, um ihrer Tochter beizustehen, hatte ihr der Magistrat bestätigt:
Ein Dr. Keller hätte mit Goldmacherei Werbung betrieben. Beträchtliche Summen hätte er von manchem verdienten Bürger gerafft, die nicht offen genannt werden wollten. Die Goldmacherei sei der Doktor aber schuldig geblieben. Hätte die Stadt verlassen, ohne bei seinen Geldgebern Abschied zu nehmen.
Doch erst das letzte Beweisstück brachte die vollkommene Vernichtung. Anna übergab dem Erzherzog das Büchlein, das Dr. Keller eingefordert hatte.
„Mein Gebetbuch. Ich will es wiederhaben“, schrie er wie von Sinnen.
„Ihr betet mit doppeltem Boden, mein Herr“, sprach die alte Welserin und übergab dem Erzherzog das Büchlein, mit der Bitte, zuerst die letzte Seite anzuschauen. Er hatte kaum begriffen, was er sah, als der rechtmäßige Besitzer des Werkes aus der Halle hinausstürmte und einmal mehr Bekanntschaft mit einer Wache machte.
So ward der Zwerg wieder bei Hofe geduldet. Nicht ohne meinem Herrn vorab einen Eid auf mein Leben schwören zu müssen: Über alles, was mir in Ambras zu Augen und Ohren gekommen sei, sei absolutes Stillschweigen zu bewahren.
„Mach keinen Fehler, sonst schließe ich dich für immer in eine Kiste ein“, sagte die Loxan zum Abschied und packte mich. Um ihrer Grobheit zu entfliehen, rannten meine Beine noch in der Luft. Sie zwickte mich jedoch nur sanft in die Wangen und die Frau mit den schönen Nasenlöchern drückte mir einen Kuss auf meinen vor Verblüffung offen stehenden Mund. Ward fortan nur noch Philippine für mich, obwohl ich sie noch lange Herrin nennen sollte.
Ich staunte noch mehr,
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