Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
ganze Park überhaupt, war nach böhmischem Geschmack mit grotesken Terrakottafiguren geschmückt, darunter Landsknechte, Ungarn, Juden, Muselmanen, Mohren, Narren, Zigeuner und natürlich Zwerge. Auch mit mir.
Hinter dem Hochschloss, talwärts zum Dörflein Amras hin, ästen Rehe und Hirschen samt einigen Wildsauen, die die grüne Idylle zerfurchten.
Ein ganzer Bach war umgeleitet worden und donnerte als Wasserfall durch den Park und in den Amraser See am Fuß des Burghügels.
Dort wimmelte es nur so vor Fischen. Musste es wimmeln, gab es doch im bravgläubigen Tirol ständig irgendwelche Fastentage, wobei es den Schlemmern gelegen kam, dass der Papst den Biber unlängst zum Fisch und somit zur Fastenspeise erklärt hatte.
In der Zeit meiner Genesung war ich gerne an den See gehumpelt. Sein Geruch und die nach Brosamen schnappenden Fischmäuler erinnerten mich an meine Herkunft. An meine Mutter. Gundeln, Hechte, Schleien und Karpfen hatte ich ausgemacht.
Im Garten direkt unterm Hochschloss luden üppige Blumenbeete, Springbrunnen und ein Buchsbaum-Labyrinth zur Kurzweil ein. Selbst seltene Muskat- und Damaszener-Rosen hatte die Frau mit den schönen Nasenlöchern beschaffen lassen, deren Ausdünstungen für feine Nasen – wie die ihre und die meine – ein Jubelfest waren. Es schien, als wolle die einst in den Gärten des Hradschin verhöhnte Unbekannte dessen Pracht überbieten.
An die windgeschützte Burgmauer angeschmiegt, lag ihr ganz persönliches Reich, in einer Sonnennische von Eidechsen geliebt: Wurzeln, Kräutern und Heilpflanzen hegte und pflegte sie dort. Nur ihrer Mutter war es noch erlaubt, diesen hortus mirabilis zu betreten. Dessen bitterem Latwerg und Blühzeug verdankte ich mein Leben.
Auch Mandel-, Pfirsich, Quitten- und Kastanienbäume, sogar Feigen gediehen in der Wärme des Mauerwerks und bereicherten die Tafel der Damen.
Ja, in Ambras wähnte man sich unter einem südlichen Himmel, sofern man die Schroffheit des Gebirges großzügig übersah, was mir immer besser gelang.
Die Loxan hielt Haus und Hof zusammen und dressierte das Gesinde.
Auch bei den Handwerkern war sie gefürchtet. Insbesondere, wenn sie Blumenrabatten zertraten, Unflätigkeiten herumbrüllten oder hinter den Hecken des Labyrinths ihre Notdurft verrichteten, denn südlich des Burghügels wuchs ein Tanzsaal heran. Er sollte sich zum größten frei stehenden Festsaal nördlich von Italien auswachsen, wobei rechtwinklig dazu noch ein Ballspielhaus entstand.
Sah die Loxan es doch auch nicht gerne, dass die so genannten Burgknaben ihre dreckigen Jeu de Paume Bälle gegen die weiß gekalkte Schlossfassade droschen.
Sofern man überhaupt etwas über diese zwei Knaben herausbrachte, hieß es, die Frau mit den schönen Nasenlöchern hätte sie als arme Waisenkinder aufgenommen, sie seien als Säuglinge vor den Burgen gefunden worden, die sie in Böhmen bewohnt hätte.
Bei dem halbwüchsigen Andreas und dem jüngeren Karl leuchtete jedoch aus jedem Knopfloch der Erzherzog heraus, dies sagt euch der Zwerg. Habsburger Unterlippen – zumindest im Ansatz, seine rötlichen Haare, die stolze Statur. Und an den Nasenlöchern der Burgknaben verriet sich auch Philippine.
Eine staatsgeheime Gattin durfte jedoch keine offizielle Mutter sein. Und ein Erzherzog kein offizieller Vater von Kindern, die er mit einer nicht Standesgemäßen gezeugt hatte.
Philippine hatte sich im zweiten Stock des Hochschlosses eingerichtet. Ich hatte mich in ihre Beletage mit Blick auf die Nordkette eingeschlichen, hatte silberne und goldene Ledertapeten und verspielte Holzdecken erspäht, auch ein diskretes „Frauenzimmerküchle“, um kleinere Mahlzeiten selbst zubereiten zu können. Für intime Besucher. Eine Beischläferin, die in vielerlei Hinsicht zu verwöhnen wusste.
Selbst der Innenhof des Hochschlosses war aufwendig über alle Stockwerke mit Fresken verziert, antike Gottheiten darunter in lockeren Posen. Auch exotisches Getier.
Mein Favorit war Soliman, der Elefant. Mit erhobenem Rüssel grüßte er aus dem dritten Stock. Er hätte die Alpen überquert. Im Winter. Als Geschenk des Hauses Portugal an den Kaiserbruder meines Herrn hätte das Tier von Lissabon bis nach Wien gehen müssen. Wäre am heiligen Dreikönigstag sogar federnden Ganges an Ambras vorbeigezogen, wie alte Einheimische noch wussten. Auf dem Hals des Riesentieres hätte breitbeinig ein rabenschwarzer Kerl gesessen, ein Dämon, der es mit einer Art Dorn angetrieben
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