Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
einzuschmuggeln? Keine wirklich schwierige Aufgabe, bei all dem Rauch und dem ablenkenden Gefuchtel, das ihre Vorführungen begleitet.
Auch ein Nagel war abgebildet. Er schien aus Gold gefertigt und mit einer Art Eisenfarbe überzogen zu sein. Erhitzte man ihn, schmolz vermutlich die Beschichtung und bei der „Transmutation“, wie Alchemisten ihre Metallkocherei nennen, erschien das pure Gold. Sehr zur Freude jeder Fürstenseele.
Ich verbarg das Büchlein in jenem Oberschenkelverband, den ich dessen Besitzer verdankte.
Nun ist ein Thomele kein Dieb, doch die Verlockung war übermächtig, das Entdeckte meinem Herrn zu zeigen. Dem Alchemistenfreund.
Ferdinands Leidenschaft für die dunklen Künste hatte sich inzwischen bis nach Tirol herumgesprochen. Ich selbst hatte Innsbrucker Marktweiber sagen hören, der neue Fürst wolle sich in Ambras eine chemische Küche einrichten. Mit seinen Hexen. Wo Papst Pius V. dieses Höllenwerk doch ausdrücklich verbot.
Zur Vertuschung meines Diebstahls verschloss ich das Ebenholzkästchen. Hätte überhaupt die Sternenkiste verlassen sollen. Hatte ich eine Magd, die mich zuvor gesucht hatte, durch das Zuklappen des Deckels getäuscht, den ich nun wieder geöffnet hatte.
Als nächstes griff ich nach kleinen Salbentiegeln. Aus Irdenware gefertigt und unbeschriftet. Enthielten sie das Armesünderfett, mit dem sich mancher Henker und Scharfrichter ein gotteslästerliches Zubrot verdient? Es hieß, sie garten Gehenkte wie Suppenhühner, um den fettigen Sud abzuschöpfen.
Dann zog ich eine schwarze Kutte hervor. Darin eingewickelt eine Maske wie der Kopf eines Raben, was deren Zweck verriet. Eine Pestnase. Sie sollte den tödlichen Hauch vom Träger fernhalten, sofern man sie mit Kräutern, Knoblauch und Myrrhe befüllt. Auch eine Feuerpfanne fand ich, die, an Ketten geschwenkt, den gleichen Zweck erfüllte. Erfüllen sollte.
Vertreibt man die biblischen Plagen mit etwas Wohlgeruch?
Der schwarze Tod, der vor unserer Ankunft das Inntal bis zum Bodensee gepeinigt hatte, hätte fast alle Ärzte vertrieben, hieß es. Wo die Wissenschaft in diesen Tälern eh schwer gedeiht.
War Dr. Keller einer der Wenigen, der Sterbenden Beistand geleistet hatte? Hielt mein Herr deshalb so große Stücke auf ihn?
Hatte mein Bettgeschwader mit seiner weibischen Empfindlichkeit, ja Rechthaberei, diesem tapferen Mann etwa Unrecht getan?
In meiner Neugier so unvorsichtig, das Pestzeug zu berühren, beschloss ich das Ende meiner Inspektion.
Ich war gerade dabei, mein bandagiertes Bein beidhändig aus dem Sternenmöbel zu heben, als erneut Schritte durch den Gang dröhnten. Zornige Schritte. Womöglich Dr. Kellers grober Geselle mit dem verstimmten Medikus? Einmal mehr klappte ich den schützenden Sternhimmel zu.
Die Neugier wird dich noch umbringen, hatte mein Herr öfters zu mir gesagt.
„Wo ist der Zwerg?“ Die Loxan erkannte ich nun sofort.
„Die Magd hatte Weisung, ihn zu säubern, blutig wie er war“, antwortete die Frau mit den schönen Nasenlöchern. „Dass du dich immer so aufregst“, fügte sie hinzu.
„Sie darf sich aufregen. Der Kerl ist ein Grobian und ein Scharlatan. Nur gut, dass mir einfiel, dass er Anton Fugger in Augsburg eintausend Gulden aus dem Beutel gelockt hat. Dem ausgebufften Fugger, mit dem Versprechen, er mache Gold für ihn“, sagte die alte Unbekannte.
Die Weiber lachten.
„Dann mag er zu Recht in der Wachstube liegen. Doch Ferdinand wird toben. Jetzt, wo die Tiroler Landstände gegen uns intrigieren. Und dieser Doktor ist ein Hiesiger. Er hat Verbindungen“, sagte die Frau mit den schönen Nasenlöchern.
Lag es an der Muskatnuss oder an den Pestgewürzen, dass ein Kitzeln durch meine Nase kroch?
„Schon jetzt schreien sie: ersäuft die Hexen im Inn“, sagte die Frau mit den schönen Nasenlöchern.
„Er hat dich gefreit! Er muss dich und die Kinder schützen“, rief die Loxan aufgebracht.
Ich drückte meine Nasenlöcher zu.
„Ich werde es diesen Rückständlern noch beibringen“, fuhr die Loxan fort.
„Willst du verraten, was sein Vater zum Staatsgeheimnis machte? Darauf steht der Tod“, sagte die alte Unbekannte aufgebracht.
„Hexen, Huren, Giftweiber. So heißen sie uns, seit wir hier in diesem goldenen Käfig sitzen“, erwiderte die Loxan.
Ich kniff mir in den Arm. Mit den Fingernägeln. Tief. Und explodierte. Über mir wurde es hell.
„Bürschlein“, schrie die Loxan und zog mich an den Haaren hervor. Eine Ohrfeige zischte. Eine
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