Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
als ich bei meiner Rückkehr meinen Platz besetzt fand. Doppelt besetzt fand. Im Riesensaal der Hofburg saßen zwei Winzlinge zur Rechten und zur Linken meines Herren.
Wilhelm von Wolkenstein hatte dem Erzherzog einen Zwerg geschenkt, Magnifico genannt. Er hätte früher Kardinal Christoph Madruz gedient, der ihm seinem Amtskollegen von Brixen übereignet hätte, wohin er von Rom aus im Korb eines Saumpferdes gebracht worden war. Der fromme Brixener hätte ihn dann Wolkenstein für den Erzherzog verkauft.
Der sei ohne Zwerg schon schwermütig geworden, war zu hören. Umso wärmer hätte Ferdinand diesen Magnifico aufgenommen, betrübt jedoch, dass der kein Wort Deutsch beherrsche.
So hätte Wolkenstein noch einen zweiten Zwerg beschafft, von den Tiroler Landständen unterstützt. Der lustige Tischrat Gabriel Frank sei zwar nicht so possierlich wie der Italiener, hätte aber eine Zunge scharf wie ein Schwert.
Natürlich hätte man bemerkt, dass dieser Thomele alles beobachte und jeden belausche. Hinter jeder Tür, in jeder Truhe, unter jedem Rock säße er. Doch wie solle die Tiroler Elite ihrem neuen Herrn vertrauen, wenn dessen Leibzwerg nicht nur ein Dieb und ein Lump, sondern auch ein Spion sei?
In Tirol hätten Zwergengeschenke ohnehin Tradition. Hatten die Tiroler Landstände dereinst doch Kunz von der Rosen an Kaiser Maximilian I. geschenkt, der ihn zu seinem offiziellen Hofzwerg ernannt hatte.
Magnifico war im achtzehnten Jahr, wie er mir berichtete. Eine Krummheit des Rückens und seiner Gebeine hätten ihn nicht zum Mann heranwachsen lassen, denn meist hätte der Kardinal ihn bei seinen Audienzen in einem Käfig zur Schau gestellt.
Seine Missgestalt sah man erst, wenn er sich erhob. Für jeden Schritt und für alle Dinge des Lebens benötigte er eine eigene Zwergenwärterin. Wie er in dieser kalten, steilen „porca miseria, queste gigantesche montagne“ überleben solle, sei ihm ein Rätsel. Selbst beim Fluchen sah er einem Engel gleich.
Der lustige Tischrat Frank wog die zarte Konstitution des Italieners um ein Vielfaches auf. Ein wulstiger Kopf saß auf verkürzten Gliedern. Beine wie dicke Würste baumelten von meinem Stühlchen herab, während sein Mundwerk lauthals Zoten ausstieß.
Wie wollte mein Herr aus diesem Duo einen einzigen Thomele erschaffen? Aus einem Krüppel und einem Hanswurst.
Bald schon bewies ich einmal mehr meinen Wert, indem ich meinem Herrn vorschlug, die Pforten von Ambras für die Tiroler Elite zu öffnen. Hat man doch Misstrauen, ja, Abscheu, wenn man ein Ding nicht kennt. Deshalb seien Zwerge beim einfachen Volk so verhasst.
Und die Damen von Ambras müsse man einfach lieben, wenn die Loxan einen nicht gerade verdrosch, was meinen Herrn lachen machte.
All dies leuchtete Ferdinand bald ein, in der Hoffnung, den bösartigen Rumor zu beenden.
So kam es, dass Ambras sich für ein Sommerfest herausputzte.
Keinen imposanteren Ort hätte es dafür gegeben. Dies musste selbst ich eingestehen, jetzt, wo der Schnee nur noch die Höhengrate bedeckte, wie Brabanter Spitze die knochigen Schultern einer geheimnisvollen Unbekannten.
Überhaupt heizte sich das Tal erstaunlich schnell auf, der Brenner belüftete es mit italienischer Luft. Der Ambraser Park konnte sich mit jedem Zaubergarten messen.
Unweit des Hochschlosses lockten Tiergehege. Allein am Stübl der Meerschweinchen aus der neuen Welt und am Affenhaus hätte man Stunden verbringen können, wobei Affen hinter Gittern, deren Augen von der Freiheit berichten, mich an das Leben mancher Amüsierzwerge denken lassen.
Schlenderte man weiter unter großen alten Buchen und Eichen, kam man zu den Zwingern für Löwen, Leoparden und Wölfe. Bei den Löwen schien der Erzherzog eine Art Dressur zu versuchen, denn in ihrem Gehege hingen zwei starke Maulkörbe und zwei Halsbänder. Ähnliches galt für die Bären, zwei kolossale Exemplare, die der Erzherzog in Schlesien hatte einfangen lassen.
Die gefiederte Welt war vertreten durch Papageien, die wie Edelsteine von den Bäumen blitzten, fremdartige Fasanen und indischen Pfauen mit langen schillernden Schwänzen. Alle streiften frei in Ambras umher, lediglich ihre Schwungfedern waren beschnitten.
Auf einem großen Teich schwammen viele Sorten Enten und Schwäne, darunter ein schwarzes Paar aus Asien, „Philippina und Ferdi Escorial“ genannt, da die Vögel spanische Hoftracht trügen. Dickbauchige Barken luden zur Belustigung auf dem Wasser.
Das Ufer des Schlossteiches, der
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