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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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rieb ich Brechnuss. Es hatte Schießpulver verspeist. Bald erbrach es schwefelig stinkenden Schleim auf meine weißen Stiefel und gesundete.
    Immer geschickter wurde meine Handlangerei. Wollte meine Lehrmeisterin doch beweisen, „dass auch im kleinsten Körper eine große Seele wohnen kann. Und in einem verfemten Weib“, wie sie gerne hinzufügte.
    Lungenkranke in Aldrans fanden Genesung, nachdem sie ihnen einen Trank aus Benediktenwurz bereitete und ich ihre Brust mit Zwiebelwickeln bedeckte. Brühheiß, so wie Philippine es einst bei mir getan hatte.
    Einem Amraser Bauer, der am Ohrreißen litt, tat ich Schafwolle hinein, die sie mit Kamillenöl getränkt hatte.
    Auch als Naseninspekteur war ich nützlich. Erfasste viel vom Wesen eines Kranken, ohne dessen Berücksichtigung manche Therapie misslingt.
    Ich hatte meiner Lehrmeisterin inzwischen gestanden, dass ich bei unserer ersten Begegnung in den Gärten des Hradschin beschlossen hatte, sie inbrünstig zu hassen, bis ich an ihrer Nase ihre besondere Begabung entdeckt hatte.
    Die Loxan und Schlossapotheker Gorin Guranta kamen mit dem Zubereiten von Tränken, Pulvern, Pastillen und Salben kaum nach. Der Arzneigarten wurde erweitert und Philippines Leibarzt, Dr. Handsch, musste bei mancher Arznei helfen.
    Auch für die Ärmsten ließ Philippine teure Zutaten beschaffen: Chinarinde aus Venedig gegen Fieber oder Gilgenwurz, aus der weißen Lilie gewonnen, der Brandwunden linderte, die bei den offenen Feuerstellen der Tagelöhner häufig vorkamen. Und Zahnwurz kaufte sie gleich sackweise, dessen Sud gegen Maulseuche, den Zahnwurm und Säuferatem hilft.
    Auf unseren Wegen zu den Kranken ließ sie mich Pflanzen und deren Anwendungen dahersagen:
    „Fenchel, Lavendel, Salbei und Sauerampfer machen den Pups entspannter, Mönchspfeffer, Liebstöckel und Frauenmantel helfen dem Weib beim Monatsgegrantel, Zinnkraut, Eibisch, Thymian und Kapuzinerkress bei Katarrh und Entzündungen fress, Minz-, Anisöl, Veilchen und Königskerz lindert den Hustenschmerz, Estragon, Brennnessel, Bibernell und Kamill trink heiß, wer besser pissen will, Pfingstrose und Bilsenkraut treiben den Krampf und die Gicht heraus …“
    Stunden ging das so. Sie schärfte mir ein, dass das Leben eines Menschen davon abhängen kann, dass ich jedes Kraut und dessen Dosierung kannte. Mit schwäbisch-resoluter Gründlichkeit hämmerte sie mir eine Apotheke in meinen Zwergenschädel.
    Dann kam der Tag, an dem Philippine befahl, die Pforten von Ambras zu öffnen. Für Notleidende und Kummergebeugte.
    Sie strömten so zahlreich, dass die Loxan, die anfangs genau Buch geführt hatte, es bald aufgab.
    Sicher Volk darunter, das das Schloss gestern noch verflucht hatte und sich jetzt an stärkendem Rosensirup, Quitten- und Weichselsaft labte.
    Alles was nützlich erschien und gut roch, riss man uns aus den Händen. Philippines Rezeptbuch wuchs auf weit über einhundert Seiten an. Unermüdlich probierte sie Neues, ergänzte Altbewährtes.
    „Aus dem schönsten Palast der Alpen macht sie ein Siechenhaus“, schimpfte Ferdinand. Unterband es jedoch nicht, vielleicht sogar erleichtert, dass der Frau, um deren Leben er hatte fürchten müssen, jetzt so viele Herzen zuflogen.
    Ernsthaft lamentierten jedoch die Sargmacher, jetzt, wo nicht mehr so fleißig gestorben wurde.
    Und Bittschriften kamen an, Körbe voll: Frauen flehten für ihre eingekerkerten oder des Landes verwiesenen Männer um Begnadigung, Schuldner baten um milde Gaben, Witwen um Zehrpfennige für die Hinterbliebenen, Kranke um Hausbesuche, Dienstsuchende bewarben sich um Stellen, Hofsängerknaben um Stipendien.
    Bettelbriefe kamen auch aus dem fernen Rosenheim, Mauls, Bozen, Kastelruth, Meran, Burgau, Günzburg und sonst woher.
    „Die hochgnädigste Liebhaberin aller betrübten Herzen könne auch ihren kleinen Engel die Medizin vorbeibringen lassen“, schrieb die Witwe eines Kaufmannes aus Rovereto und machte den Zwerg schmunzeln.
    Selbst die Gräfin von Arco suchte Rat.
    Irgendwann erschienen dann Ferdinands fromme Schwestern zum Tee – und wenn man schon da sei, man hätte nachts kalten Schweiß und ein Flohstich hätte sich entzündet.
    Sogar der Loxan wollten sie die Hand reichen, jetzt, wo sie doch zum rechten Glauben gefunden hätte. „Obwohl ich nicht mehr hätte müssen, wo wir doch jetzt so beliebt sind in Tirol“, sagte sie und eilte grußlos davon, schelmisch grinsend.
    Unterdessen verhandelte der Erzherzog mit Rom über die Erhebung des

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