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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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das sagen sie hier.

Venedig, Ferrara, Mantua 1579
Die italienische Braut
    Ich hatte gehofft, alle Winterreisen abgedient zu haben. Doch dem war nicht so.
    Im Spätsommer hatten wir den Hof von Dresden besucht. Mit zweiundsiebzig Kutschen, eine mit der nun offiziellen Gattin Philippine besetzt.
    Es war September, als ich am Grab der Vogelschnäblin stand. Glaubte, mit der Messingplatte verschmelzen zu müssen. Vor Hitze und vor Liebe. Der erste aller Sachsen hatte sie an der Elbterrasse begraben lassen, nebst anderen Zwergen wie Spatzkopf, Rotmeisin, Zeisig oder Rohrdommelchen und seinen Lieblingshunden. Sie vergewaltigen uns und erniedrigen unsere Körper und Seelen, um uns dann Vogelnamen zu geben.
    Nun wollte Ferdinand nach Italien. Im Januar. Unbedingt. Ohne einen politischen Anlass für eine winterliche Überschreitung der Alpen. Offiziell.
    Wieso sollte ich ihn dann begleiten? Der Hofzwerg, der nur noch ungern ein Höfling war.
    Als Prachtstück, Thomele sei der Kleinste aller Kleinen, immer noch. Man wolle ein paar Fürsten besuchen. Und nach Venedig. Ottheinrich von Braunschweig-Lüneburg, Schwager Maximilian und Ferdinand von Bayern kämen mit. Schon aus Gewohnheit hätte der nach dem Pastetenzwerg verlangt, ließ mein Herr seine Gattin wissen.
    „Man bringe mir meinen Stumpen!“, lärmte er dann so eindringlich, dass ich, um Philippine nicht zu schaden, aus einem Versteck hervorkroch.
    Allein die Vorstellung, die Stadt im Wasser zu sehen, rettete meine Contenance.
    Karl von Burgau, Philippines Jüngster, begleitete uns. Ein Mann sei kein Mann, wenn er die Schätze und Schätzchen Italiens nicht gesehen hätte, so der Vater augenzwinkernd. Karl müsse schließlich nach Bräuten schauen. Die Kavalierstour des Sohnes sollte auch seine Vergnügungsreise sein.
    Wir fuhren, so weit es ging. Mein Herr war behäbig geworden. Jung geblieben war jedoch seine Ungeduld, so eilten wir durch Welschtirol, ohne die Einladungen der Bischöfe von Brixen und Trient zum „Frühmahl“ anzunehmen. Auch Pergine, Borgo, Feltre, Treviso und Mestre streiften wir nur. Von dort aus hatte sich der Erzherzog jeden feierlichen Empfang bei der Signoria, der Stadtregierung von Venedig, verbeten.
    Während des Geschaukels zu Wasser zog ich meinen Hut tief ins Gesicht, stumm versunken in meiner Angst. Als wir uns der Stadt näherten, befahl mir mein Herr aufzublicken, da ich solches in meinem Leben nicht mehr sähe. Aus der hellen Nahtstelle, die den Winterhimmel mit der bleiernen See verband, wuchsen Türme und Paläste empor.
    An einem der prächtigsten legten wir an, dem Palazzo Dandolo. Er war unser Quartier. Eine Dogen-Dynastie gleichen Namens hätte ihn erbaut. Blutrot war er, die Balkone und Fenster wie aus weißem Zuckerguss angeklebt, seltsam gotisch-muselmanisch geschwungen. Dieses Haus war eine Melodie, ein Wohlklang aus Macht und Heiterkeit. So wie alles in Venedig.
    Wie zur Bestätigung wölbte sich nicht weit davon die Ponte dei Sospiri über einen Kanal. Anmutig, aber verhängnisvoll. Verurteilte müssen sie überqueren, vermutlich aus tiefer Brust seufzend, um fortan in den Bleikammern zu schmachten.
    Zwei Häuser zur Linken lag der Dogenpalast, in rosa, größer noch als der Palazzo Dandolo mit noch mehr Zuckerguss. Die Schäden eines Brandes von außen kaum sichtbar, obwohl das Feuer erst vor zwei Jahren gewütet haben soll.
    Unser erster Gang galt der Besichtigung des Arsenals. Eine Festung innerhalb der Stadt, versperrt mit Toren und Wachtürmen.
    Kein unbefugter Blick gelangte hinein.
    Nun macht ein Thomele sich nichts aus Schiffen, befand sich jedoch inmitten einer Wunderwelt. Merkwürdiges ging darin vor. Ein Schiff, im Arsenal auf Kiel gelegt, konnte am nächsten Tag fertig sein, hieß es. Keine Gondel. Nein, ein Handelsschiff oder eine Galeone mit bis zu vierhundert Mann Besatzung.
    So viele Menschen hatte ich noch nie bei der Arbeit gesehen: ein Hämmern, ein Sägen, ein Segelmachen, ein Schmieden, ein Pechkochen, ein Kalfatern. Karl trug mich auf dem Arm, zertreten hätte man mich sonst im Fertigungsgewimmel. Sieht man dies, versteht man Venedig und verneigt sich vor seiner Seemacht.
    Vor der Seeschlacht von Lepanto im Golf von Korinth seien in zwei Wochen einhundert Galeeren gebaut worden, hieß es. Dreißigtausend Arbeiter hätten daran mitgewirkt. Eigentlich hätte das Arsenal die Türken besiegt.
    „Schau mit deinen Augen für mich“, hatte Philippine zum Abschied gesagt. Ihre schönen Nasenlöcher

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