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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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umkehrte und den Weg nach seiner alten Heimstätte einschlug, wurde er unruhig. Ach, nun hatte der Waldhüter gewiß herausgefunden, daß Karr es gewesen war, der an dem Tode der Elchkuh schuld war, und nun führte er ihn nach dem Herrenhof, damit er dort noch vor seinem Tode seine Schläge bekäme!
    Aber Schläge bekommen, das war das schlimmste, was Karr widerfahren konnte, und bei dieser Aussicht konnte er den Mut kaum noch aufrecht erhalten. Er ließ den Kopf hängen, und als die beiden den Herrenhof erreichten, sah Karr gar nicht auf, sondern tat, als erkenne er keinen Menschen.
    Der gnädige Herr stand auf der Treppe, als der Waldhüter ankam.
    „Was haben Sie denn da für einen Hund, Waldhüter?“ fragte er. „Das ist doch wohl nicht unser Karr, der müßte doch schon längst erschossen sein?“
    Der Waldhüter erzählte nun von den Elchen; Karr aber machte sich so klein wie nur möglich und verkroch sich hinter den Beinen des Forstwarts, damit man ihn nicht sehe.
    Aber der Forstwart erzählte die Geschichte nicht so, wie Karr gedacht hatte. Er lobte Karr über die Maßen und sagte, der Hund habe offenbar gewußt, daß die Elche in Not gewesen seien, und habe sie retten wollen.
    „Nun können der gnädige Herr mit dem Hund machen, was Sie wollen; ich kann ihn nicht erschießen,“ sagte der Forstwart zum Schluß.
    Der Hund richtete sich auf und horchte. Er wollte seinen Ohren nicht trauen, und obgleich er nicht zeigen wollte, wie groß seine Angst gewesen war, konnte er ein leises Bellen doch nicht unterdrücken. War es wirklich möglich, daß er das Leben behalten durfte, nur weil er so besorgt um die Elentiere gewesen war?
    Der gnädige Herr fand auch, daß Karr sich gut benommen hatte; da er ihn aber unter keinen Umständen wieder auf dem Hofe haben wollte, wußte er nicht gleich, was er sagen sollte.

    „Ja, wenn Sie ihn versorgen wollen, Waldhüter, und mir dafür einstehen, daß er sich künftig besser aufführt, dann mag er am Leben bleiben,“ sagte er schließlich.
    Der Waldhüter war bereit, Karr zu sich zu nehmen; und so kam Karr zu dem Waldhüter.

Graufells Flucht
    Von dem Tage an, wo Karr zu dem Waldhüter kam, gab er das unerlaubte Jagen vollständig auf. Nicht allein, weil er einen so heilsamen Schrecken davongetragen hatte, sondern vielmehr, weil er nicht wollte, daß der Waldhüter böse auf ihn würde. Denn seit der Waldhüter ihm das Leben gerettet hatte, liebte er ihn über alles in der Welt. Karr hatte keinen andern Gedanken mehr, als seinem neuen Herrn überall nachzulaufen und auf ihn aufzupassen. Wenn dieser ausging, rannte Karr voraus und untersuchte den Weg, und wenn er daheim war, lag Karr vor der Tür und beobachtete alle Aus- und Eingehenden mit scharfem Auge.
    Wenn im Waldhause alles ganz still war, wenn ringsum kein Schritt laut wurde und Karrs Herr sich an den jungen Bäumchen, die er in seinem Garten heranzog, zu schaffen machte, vertrieb sich Karr die Zeit damit, mit dem Elchkälbchen zu spielen.
    Im Anfang hatte Karr gar keine Lust verspürt, sich mit dem Tiere abzugeben. Da er aber seinem Herrn auf Weg und Steg nachlief, kam er auch mit ihm in den Stall, und während dieser das Kälbchen mit Milch tränkte, saß Karr vor dem Stand und schaute zu. Der Waldhüter nannte das Kälbchen Graufell; er meinte, einen feineren Namen verdiene es nicht, und darin stimmte Karr mit seinem Herrn überein. So oft er das Kälbchen ansah, meinte er, seiner Lebtage noch nie etwas so Häßliches und Unförmliches gesehen zu haben. Das Kälbchen hatte lange schlotterige Beine, die wie lose Stelzen unter seinem Körper saßen. Der Kopf war sehr groß; er hatte ein geradezu greisenhaftes Aussehen und hing immer auf die eine Seite herunter. Die Haut saß runzelig auf dem Körper, als hätte das Tier einen Pelz an, der nicht für es gemacht worden war. Auch sah es immer gedrückt und mißmutig aus; aber merkwürdigerweise stand es stets schnell auf, sobald es Karr vor dem Stand erblickte, wie wenn es sich über den Anblick des Hundes freute.
    Mit jedem Tag wurde das Elchkälbchen elender; es wuchs nicht, und schließlich konnte es sich nicht einmal mehr aufrichten, wenn es Karr sah. Einmal sprang der Hund zu ihm in den Stand hinein, und da leuchteten die Augen des Kälbchens auf, als sei ihm ein besonderer Wunsch in Erfüllung gegangen. Von dieser Zeit an besuchte Karr das Kälbchen jeden Tag; er blieb stundenlang bei ihm, leckte ihm den Pelz, spielte und scherzte mit ihm und teilte ihm dies

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