Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
erzählte. Alles, was er in seiner Jugend von den Wichtelmännchen gehört hatte, von ihrer Rachgier gegen Feinde und ihrer Hilfsbereitschaft gegen Freunde, tauchte in seiner Seele auf. Wer es je einmal versucht hatte, ein Wichtelmännchen gefangen zu halten, dem war es schlecht ergangen.
„Höre, Asbjörn, du hättest ihn gleich wieder freigeben sollen,“ sagte Klement.
„Ich hätte auch beinahe gar nicht anders gekonnt,“ antwortete Asbjörn. „Die Wildgänse verfolgten mich bis nach Hause, und selbst dann flogen sie noch lange über den Schären hin und her und schrieen immerfort, wie wenn sie das Kerlchen wieder haben wollten. Ja, und das war noch nicht einmal alles, denn die ganze Vogelgesellschaft da draußen, Möwen und Seeschwalben und alle andern, die keinen ehrlichen Schuß Pulver wert sind, ließen sich laut schreiend auf den Klippen nieder, und als ich aus meiner Hütte heraustrat, flatterten sie wie toll um mich her; es blieb mir nichts übrig, als wieder umzukehren. Meine Frau sagte, ich solle den Knirps wieder laufen lassen, aber ich hatte mir nun einmal in den Kopf gesetzt, ihn hierher nach Skansen zu bringen. Da stellte ich denn eine Puppe von unserm Kleinen ans Fenster, steckte den Knirps rasch in meinen Kasten und machte mich wieder auf denWeg. Die Vögel meinten wohl, die Puppe am Fenster sei das Kerlchen, denn sie ließen mich diesmal unbehelligt gehen.“
„Spricht er nicht?“ fragte Klement.
„Doch, im Anfang machte er einen Versuch, den Vögeln etwas zuzurufen; aber das wollte ich nicht, und so stopfte ich ihm einen Knebel in den Mund.“
„Aber Asbjörn, daß du das gewagt hast! Hast du denn gar kein Verständnis? Dies ist doch etwas Übernatürliches.“
„Ach, wie soll ich wissen, was es ist,“ sagte Asbjörn ruhig. „Das müssen die andern herausbringen, ich bins zufrieden, wenn man mich nur gut dafür bezahlt. Und nun sag mir, Klement, wie viel wird mir der gelehrte Herr Doktor droben auf Skansen wohl für das Kerlchen geben?“
Klement überlegte lange, ehe er antwortete. Er hatte auf einmal schreckliche Angst für den Knirps bekommen. Es war ihm gerade, als stehe seine Mutter neben ihm und sage zu ihm, er solle immer gut gegen das Wichtelvolk sein.
„Ich weiß nicht, was der Doktor dir dafür geben wird,“ sagte er schließlich. „Aber wenn du ihn mir verkaufen willst, dann biete ich dir zwanzig Kronen dafür.“
Als der Spielmann diese große Summe nannte, sah ihn der Fischer grenzenlos überrascht an. Er dachte, Klement meine wohl, der Kleine sei im Besitz von geheimen Kräften, die ihm von Nutzen sein könnten; und da er keineswegs sicher war, ob der Doktor seinen Fund für ebenso wichtig halten und ihm so viel dafür bieten würde, nahm er Klements Angebot an.
Der Spielmann steckte seinen Einkauf in eine seiner weiten Taschen, stieg wieder den Hügel hinauf und ging in eine der Sennhütten, wo weder fremde Besucher noch sonst ein Aufseher waren. Er schloß die Tür hinter sich zu, nahm das Kerlchen heraus, das noch immer an Händen und Füßen gebunden war und einen Knebel im Mund hatte, und legte es vorsichtig auf eine Bank.
„Gib nun wohl acht, was ich dir sage,“ begann Klement. „Ich weiß, du und deinesgleichen, ihr laßt euch nicht gern vor den Menschen sehen, sondern wollt am liebsten ungehindert euer Wesen treiben. Ich will dir deshalb deine Freiheit zurückgeben, aber nur unter einer Bedingung: du mußt hier im Park bleiben, bis ich dir erlaube, dich von hier zu entfernen. Wenn du darauf eingehen willst, dann nicke dreimal mit dem Kopfe.“
Erwartungsvoll sah Klement den Kleinen an; dieser aber rührte sich nicht.
„Es soll dir nicht schlecht gehen,“ fuhr Klement fort. „Ich werde dir jeden Tag dein Essen bringen; überdies wirst du auch sicher hier allerlei zu tun bekommen und brauchst also keine Langeweile zu haben. Aber du darfst nirgends anders hingehen, bis ich es dir erlaube, hörst du! Wir wollen ein Zeichen ausmachen: so lange ich dir dein Essen in einem weißen Napf hinstelle, mußt du hierbleiben, wenn es aber in einer blauen Schale ist, dann darfst du dich entfernen.“
Wieder sah Klement den Kleinen erwartungsvoll an und hoffte auf das verabredete Zeichen; das Kerlchen aber rührte sich nicht.
„Ja, dann muß ich dich eben doch dem Direktor von Skansen zeigen, es bleibt nichts andres übrig,“ sagte Klement. „Du wirst dann in eine Glasflasche gesteckt, und alle Leute aus der großen Stadt Stockholm kommen hierher und
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