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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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blutdürstigeres Aussehen hatten als die größern Raubtiere.
    Der Propst sah alle diese Tiere sehr gut, denn der ganze Platz war erhellt. Auf dem hohen Felsblock in der Mitte stand nämlich der Waldgeist, in der Hand einen brennenden Kienspan, der mit einer hellen, klaren Flamme brannte. Der Geist war so groß wie der höchste Baum im Walde; er trug einen Mantel aus Tannenzweigen, und seine Haare waren Tannenzapfen. Ganz ruhig stand er da und sah spähend und lauschend in den Wald hinein.
    Obgleich der Propst alles ganz deutlich sah, wunderte er sich doch so sehr, daß er sich förmlich dagegen wehrte und seinen eignen Augen nicht trauen wollte. ‚Es ist ja ganz und gar unmöglich,‘ dachte er. ‚Bei mir muß irgendetwas nicht in Ordnung sein. Ich bin zu lang im Waldesdunkel umhergeritten; es ist eine Einbildung, die Gewalt über mich bekommen hat.‘
    Aber trotzdem verfolgte er alles mit gespannter Aufmerksamkeit und fragte sich, was er wohl hier zu sehen bekäme und was geschehen würde.
    Er brauchte nicht lange zu warten. Aus dem Walde herauf drang jetzt das Bimmeln einer kleinen Glocke. Und gleich nachher hörte er wieder das Geräusch von Schritten und brechenden Zweigen, als bräche eine Menge Tiere durch die Wildnis hindurch.
    Eine große Schar Haustiere kam den Berg herauf. Sie tauchten in derselben Ordnung, wie wenn sie auf dem Wege nach dem Stalle wären, aus dem Walde auf; voran ging die Leitkuh mit der Glocke, dann kam der Stier, dann die andern Kühe und dahinter das Jungvieh und die Kälber. Ihnen folgten die Schafe in einer dichten Herde. Hierauf kamen die Ziegen und zuletzt einige Pferde und Füllen. Der Schäferhund lief neben der Herde her, die aber weder von einem Hirten noch von einer Hirtin begleitet war.
    Dem Propst zerriß es fast das Herz, als er die Haustiere so geradeswegs auf die Raubtiere zugehen sah. Er hätte sich ihnen gerne in den Weg gestellt, sie mit lautem Rufen vor dem Weitergehen zu warnen, aber er fühlte wohl, daß es in keiner menschlichen Macht stand, in dieser Nacht die Schritte der Tiere aufzuhalten, und so verhielt er sich ganz still.
    Man konnte leicht sehen, wie sehr es den Haustieren vor dem Wege graute, den sie machen mußten. Sie sahen elend und angstvoll aus; selbst die Leitkuh schritt mit hängendem Kopf und mutlosen Schritten vorwärts. Die Ziegen hatten zu nichts Lust, weder zum Hüpfen noch zum Bocken, die Pferde versuchten mutig auszusehen, aber es lief ihnen ein Schauder nach dem andern über den Rücken. Am jammervollsten sah der Schäferhund aus; er hatte den Schwanz eingezogen und kroch beinahe am Boden hin.
    Die Leitkuh führte den ganzen Zug bis dicht vor den Waldgeist, der dort auf dem Felsblock stand. Sie ging rings um den Felsen herum und wendete sich dann wieder dem Walde zu, ohne daß die wilden Tiere sie angerührt hätten. Und auf diese Weise wanderte die ganze Herde unangetastet an den Raubtieren vorüber.
    Während die Haustiere so an dem Waldgeist vorüberzogen, sah der Propst, daß er über einige von ihnen seine Kienfackel senkte und abwärts kehrte.
    So oft dies geschah, brachen die Raubtiere in ein lautes, vergnügtes Gebrüll aus, besonders wenn die Fackel über einer Kuh oder sonst über einem größern Tier gesenkt wurde. Aber das Tier, auf das sich also die Fackel herabsenkte, stieß einen lauten, gellenden Schrei aus, als würde ihm ein Messer ins Herz gestoßen, und die ganze Herde, zu der es gehörte, brach gleichfalls in lautes Klagen aus.
    Jetzt begann der Propst zu verstehen, was er hier vor sich sah. Er hatte früher schon von einer Sage gehört, nach der sich die Haustiere von Delsbo in jeder Neujahrsnacht auf dem Blackåsen versammeln müßten, damit derWaldgeist da die Tiere bezeichnen könnte, die im Lauf des nächsten Jahres den Raubtieren zum Opfer fallen sollten. Der Propst wurde von innigem Mitleid erfaßt für das arme Vieh, das also in die Gewalt der Raubtiere verfiel, obgleich es ja eigentlich keinen andern Herrn haben sollte als den Menschen.
    Kaum war die erste Herde wieder abgezogen, als auch schon der Ton einer neuen Kuhglocke aus dem Walde ertönte und der Viehstand von einem andern Hofe den Berg heraufgezogen kam. Alles verlief in ganz derselben Weise wie das erstemal. Die Tiere gingen zu dem Waldgeist hin, der streng und ernst da droben stand und da ein Tier und dort ein Tier als dem Tode verfallen bezeichnete. Und nach dieser Herde kam ohne Unterbrechung eine Schar um die andre daher. Einige von den Herden

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