Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
vergangenen Sonntag hatte sie dem Begräbnis eines Grubenaufsehers beigewohnt. Der Sarg war von den eigenen Pferden des Inspektors in die Kirche nach Gellivare gefahren worden, und ein langer Zug Grubenarbeiter war hinter dem Sarge hergegangen. Am Grabe hatte eine Musikkapelle gespielt und ein Singchor gesungen. Und nach dem Begräbnis waren alle, die mit in der Kirche gewesen waren, in die Schule zum Kaffee eingeladen gewesen. So etwas Ähnliches wünschte das Gänsemädchen Åsa für ihren Bruder Klein-Mats.
Sie hatte sich schon so lebhaft in die Sache hineingelebt, daß sie den ganzen Leichenzug fast schon vor sich sah; aber dann sank ihr der Mut wieder, und sie sagte sich, es werde doch wohl nicht so sein können, wie sie es wünschte. Nicht weil es zu teuer gewesen wäre; sie und Klein-Mats hatten sich viel Geld erspart, und sie konnte dem Bruder ein so schönes Begräbnis verschaffen, wie nur jemand wünschen konnte. Die Schwierigkeit lag ganz wo anders. Erwachsene Menschen, das wußte Åsa, wollten sich nie nach einem Kinde richten, und Åsa war ja nur ein paar Jahre älter als Klein-Mats, der jetzt, wo er tot neben ihr lag, gar so klein und mager aussah. Und Åsa war ja selbst noch ein Kind.
Die erste, mit der Åsa des Begräbnisses wegen sprach, war die Krankenpflegerin. Schwester Hilma kam, kurz nachdem Klein-Mats den letzten Atemzug getan hatte, vor dem Häuschen an, und schon bevor sie die Tür aufmachte, wußte sie, wie es drinnen stand. Um diese Zeit mußte es zu Ende sein. Am vorhergehenden Nachmittag war Klein-Mats in der Nähe der Gruben umhergestreift und stand zu nahe an einem Lichtschacht, als eben eine Sprengung im Gange war; da hatten ihn einige umherfliegende Steine getroffen. Er war ganz allein gewesen und hatte lange ohnmächtig auf dem Boden gelegen, ohne daß jemand wußte, was geschehen war. Schließlich bekamen ein paar Männer, die unter dem Lichtschacht arbeiteten, auf höchst seltsame Weise Kenntnis von dem Unglücksfall. Sie behaupteten, ein kleines Knirpschen, kaum eine Spanne hoch, sei am Rande der Grube erschienen und habe ihnen zugerufen, sie sollten rasch Klein-Mats zu Hilfe kommen, er liege vor der Grube und sei am Verbluten. Hierauf war Klein-Mats nach Hause getragen und verbunden worden; aber es war schon zu spät gewesen. Er hatte so viel Blut verloren, daß er nicht mehr zu retten war.
Als die Krankenschwester ins Zimmer trat, dachte sie weniger an Klein-Mats, als an seine Schwester. „Was soll ich nur mit dem armen Kinde anfangen?“ fragte sie sich. „Sie wird ganz untröstlich sein.“
Aber sie sah bald, daß Åsa weder weinte noch jammerte, sondern ganz ruhig bei allem half, was getan werden sollte. Die Krankenpflegerin verwunderte sich sehr darüber; aber sie erhielt Aufklärung, als Åsa mit ihr wegen des Begräbnisses sprach.
„Wenn man mit jemand wie Klein-Mats zusammengewesen ist,“ sagte Åsa,die sich leicht ein wenig altklug und feierlich ausdrückte, „dann muß man vor allem anderen daran denken, wie man ihn ehren kann, so lange es noch möglich ist. Nachher ist Zeit genug zum Weinen.“
Und dann bat sie die Krankenschwester, ihr zu helfen, daß Klein-Mats ein ehrenvolles Begräbnis bekäme. Niemand verdiene ein solches mehr als Klein-Mats, sagte Åsa.
Die Krankenschwester meinte, wenn dieser Gedanke dem armen verlassenen Kinde Trost gewähren könne, so sei das nur ein großes Glück für Åsa. Sie versprach, ihr zu helfen, und das war für Åsa von größter Wichtigkeit, ja es war ihr, als sei das Ziel jetzt schon fast erreicht; denn Schwester Hilmas Stimme fiel hier schwer ins Gewicht. Auf dem großen Grubenfeld, wo die Sprengschüsse jeden Tag ertönten, mußte ja jeder Arbeiter jeden Augenblick gewärtig sein, von einem umherfliegenden Stein oder einem herabrollenden Felsblock getroffen zu werden, und deshalb wollte sich jeder mit der Krankenschwester gut stellen.
Als darum Schwester Hilma und Åsa bei den Grubenarbeitern herumgingen und sie baten, am nächsten Sonntag Klein-Mats das Trauergeleite zu geben, schlugen ihnen nicht viele ihre Bitte ab. „Wenn Schwester Hilma uns darum bittet, dann tun wir es,“ sagten sie.
Auch mit der Musik brachte die Krankenpflegerin alles nach Wunsch in Ordnung; es sollte am Grabe geblasen und von dem kleinen Singchor auch ein Lied gesungen werden. Wegen des Schulhauses tat Schwester Hilma keine Schritte; da es aber noch schönes beständiges Sommerwetter war, wurde beschlossen, die Leidtragenden im Freien
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