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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Fachwerkhäuser gesehen hatte, war sein Herz von heißem Heimweh erfüllt worden.
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54
Bei Holger Nilssons
    Donnerstag, 8. November
    Es war ein nebeliger, trüber Tag. Die Wildgänse hatten auf den großen Feldern bei der Skuruper Kirche geweidet und hielten eben Mittagsrast, da trat Akka zu Nils Holgersson.
    „Es sieht aus, als bekämen wir jetzt einige Zeit stilles Wetter,“ begann sie, „und ich gedenke deshalb, morgen über die Ostsee zu fliegen.“
    „Ach so,“ erwiderte der Junge kurz, denn der Hals war ihm wie zugeschnürt, und er konnte nicht sprechen. Er hatte eben doch immer noch gehofft, er werde, solange er in Schonen sei, von seiner Verzauberung befreit werden.
    „Wir sind jetzt ziemlich nahe bei Westvemmenhög,“ fuhr Akka fort; „und ich dachte, du hättest vielleicht Lust, einen kleinen Besuch daheim zu machen. Es wird ja eine gute Weile dauern, bis du wieder jemand von den Deinen zu sehen bekommst.“
    „Es ist gewiß am besten, ich unterlasse das,“ sagte der Junge; aber seiner Stimme war wohl anzuhören, wie sehr er sich über den Vorschlag freute.
    „Wenn der Gänserich hier bei uns bleibt, kann ihm ja kein Unglück geschehen,“ sagte Akka. „Ich meine, du solltest dir genauen Bescheid verschaffen, wie es bei dir daheim steht. Vielleicht könntest du deinen Eltern doch auf irgendeine Weise helfen, selbst wenn du nicht wieder ein Mensch wirst.“
    „Ja, da habt Ihr recht, Mutter Akka. Daran hätte ich auch selbst denken können!“ rief der Junge, und er wurde plötzlich ganz eifrig.
    Einen Augenblick später waren er und Akka auf dem Wege zu HolgerNilssons, und schon nach einer kleinen Weile ließ sich Akka auf dem Steinmäuerchen nieder, das das Gütchen des Häuslers rings umgab.
    „Es ist doch merkwürdig, wie unverändert alles ist!“ sagte der Junge; er kletterte eilig auf das Mäuerchen hinauf und schaute sich um. „Es ist mir, als sei es gestern gewesen, daß ich hier auf dem Steinmäuerchen saß und euch daherfliegen sah.“
    „Ob dein Vater wohl eine Flinte hat?“ fragte Akka plötzlich.
    „Das will ich meinen!“ rief der Junge. „Dieser Flinte wegen bin ich ja an jenem Sonntag daheim geblieben, anstatt in die Kirche zu gehen.“
    „Dann wage ich nicht, hier auf dich zu warten,“ sagte Akka, „und es ist wohl am besten, du schleichst dich morgen früh wieder zu uns zurück, dann kannst du die Nacht über hier bleiben.“
    „Ach nein, Mutter Akka, fliegt nicht fort!“ rief der Junge und sprang rasch von dem Mäuerchen herab. Er wußte nicht, woher es kam, aber er hatte das Gefühl, als müsse ihm oder den Wildgänsen etwas zustoßen, so daß sie einander nie mehr sehen würden. „Ihr seht ja wohl, daß ich betrübt bin, weil ich meine rechte Gestalt nicht wieder bekommen soll, aber ich sage Euch, ich bereue durchaus nicht, damals mit euch Gänsen fortgeflogen zu sein. Nein, nein, lieber will ich nie wieder ein Mensch werden, als daß ich diese Reise nicht mit euch gemacht hätte.“
    Akka sog ein paarmal die Luft durch ihren Schnabel ein, ehe sie antwortete. „Es liegt mir etwas auf dem Herzen, worüber ich schon lange gern mit dir gesprochen hätte; da du jedoch nicht zu den Deinen zurückzukehren gedachtest, hielt ich es nicht für so eilig. Es kann indes nichts schaden, wenn ich es dir mitteile.“
    „Ihr wißt, es gibt nichts, was ich nicht gerne für Euch täte,“ sagte der Junge.
    „Wenn du etwas Gutes gelernt hast, Däumling, dann bist du vielleicht jetzt nicht mehr der Ansicht, daß die Menschen allein auf der Welt herrschen sollten,“ sagte die Anführerin feierlich. „Bedenke, ihr habt ein großes Land für euch, und deshalb könntet ihr uns recht gut ein paar Schären und einige sumpfige Seen und Moore, sowie einige öde Felsen und abgelegene Wälder überlassen, wo wir armen Tiere im Frieden leben könnten. Solange ich lebe, bin ich nun beständig verfolgt und gejagt worden. Es wäre eine Wohltat, wenn sich für solche Geschöpfe, wie wir sind, auch irgendwo eine richtige Freistatt fände.“
    „Wie sehr würde ich mich freuen, wenn ich euch in dieser Sache helfen könnte. Aber ich genieße gewiß niemals soviel Macht und Ansehen bei den Menschen,“ seufzte der Junge.
    „Aber, Däumling, wir stehen ja hier und sprechen miteinander, als ob wir uns nie wieder sehen sollten!“ sagte Akka plötzlich. „Und doch treffen wir wohl schon morgen früh wieder zusammen. Jetzt will ich zu meiner Schar zurückfliegen.“ Damit hob Akka die Flügel,

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