Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Småland sah es ganz so aus, wie es in der Sage heißt, und es wundert mich gar nicht, daß der liebe Gott betrübt war, als er es sah. Sankt Petrus verlor aber jedenfalls den Mut nicht, er versuchte im Gegenteil, den lieben Gott zu trösten. ‚Sei mir nicht böse,‘ bat er. ‚Warte nur, bis ich Menschen geschaffen habe, die die Moore urbar machen und die Bergrücken in Äcker umwandeln.‘
Aber jetzt war die Geduld des lieben Gottes doch schließlich erschöpft. ‚Nein, du magst hinuntergehen nach Schonen, das ich zu einem guten, fruchtbaren Land gemacht habe, und dort den Schonen schaffen, aber den Småländer, den überlaß mir.‘ Und dann erschuf der liebe Gott den Småländer und machte ihn klug und genügsam, froh und fleißig, unternehmend und tüchtig, damit er sich in dem armen Land seinen Unterhalt erwerben könne.“
Sobald Klein-Mats an diesem Punkt angekommen war, pflegte er aufzuhören, und wenn dann Nils Holgersson auch geschwiegen hätte, wäre allesgut gegangen; der aber konnte es nicht lassen, zu fragen, wie es denn Sankt Petrus bei der Erschaffung der Menschen gegangen sei.
„Ja, wie gefällst du dir selber?“ antwortete Klein-Mats mit so verächtlicher Miene, daß Nils Holgersson sofort über ihn herfiel, um ihn durchzubläuen. Aber Mats war nur ein kleiner Kerl, und die ein Jahr ältre Åsa lief rasch herbei, ihm zu helfen. So gutmütig sie sonst war, sobald jemand dem Bruder zu nahe kam, fuhr sie auf wie eine Löwin. Nils Holgersson aber wollte sich nicht mit einem Mädel balgen, deshalb kehrte er den Geschwistern den Rücken und ging seiner Wege und schaute den ganzen Tag hindurch nicht ein einziges Mal nach der Seite, wo sich die småländischen Kinder befanden.
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16
Die Krähen
Der tönerne Topf
In der südöstlichen Ecke von Småland liegt der Bezirk Sunnerbo. Dort ist aber ganz ebner, gleichmäßiger Boden, und wer diesen Bezirk im Winter sieht, kann sich nichts andres denken, als daß sich unter dem Schnee umgepflügte Brachfelder, grüne Roggenäcker und abgemähte Kleewiesen ausbreiten, wie es im Flachland zu sein pflegt. Aber wenn der Schnee in Sunnerbo im Anfang April endlich schmilzt, dann zeigt es sich, daß das, was grün darunter liegen sollte, nichts als trockne, sandige Heiden, nackte Felskuppen und große, sumpfige Moore sind. Wohl gibt es da und dort auch Äcker, aber sie sind so klein, daß man sie kaum bemerkt; und kleine graue oder rote Bauernhütten sind wohl auch da, aber meistens sind sie in einem Buchenwäldchen ganz versteckt, als ob sie Angst hätten, sich zu zeigen.
Wo der Sunnerboer Bezirk mit der Grenze von Halland zusammenstößt, liegt eine Sandheide, die so groß ist, daß jemand, der auf der einen Seite steht, nicht bis zum andern Ende sehen kann. Auf der ganzen Ebene wächst nichts als Heidekraut, und man könnte wohl auch schwerlich etwas andres dort zum Wachsen bringen. Zu allererst müßte man dann das Heidekraut ausrotten; denn obgleich dieses nur einen kleinen, verkrüppelten Stamm, kleine verkrüppelte Zweige und trockne, verkrüppelte Blätter hat, bildet es sich doch ein, es sei ein Baum, und beträgt sich demgemäß ganz wie die wirklichen Bäume, breitet sich waldartig über weite Strecken aus, hält treulich zusammen und will nicht leiden, daß andre kleine und große Gewächse in seinen Bereich eindringen.
Die einzige Stelle auf der Heide, wo das Heidekraut nicht Alleinherrscher sein kann, ist ein niedriger, steiniger Bergrücken, der sich mitten über das Heideland hinzieht. Da gibt es Wacholderbüsche, Ebereschen und mehrere große,schöne Buchen. Zu der Zeit, wo Nils Holgersson mit den Wildgänsen umherzog, war auch eine Hütte mit einem kleinen Stück gepflügten Landes dort, aber die Leute, die da gewohnt hatten, waren aus dem einen oder andern Grunde weggezogen. Die kleine Hütte stand leer, und die Äcker lagen unbebaut.
Beim Verlassen ihrer Hütte hatten die Menschen zwar vorsorglich die Ofenklappe zugemacht, die Fensterhaken angelegt und die Tür verschlossen. Aber sie hatten nicht daran gedacht, daß eine Fensterscheibe zerschlagen und die Öffnung nur mit einem Lappen verstopft war. Nach ein paar tüchtigen Sommerregen war der Lappen verfault und zusammengesunken; und schließlich war es einer Krähe gelungen, ihn wegzupicken.
Der Bergrücken auf der Heide war nämlich nicht so einsam, wie man annehmen könnte, sondern er war von einem großen Volke Krähen bewohnt, das aber natürlich nicht das ganze Jahr hindurch
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