Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
gesprochen haben. Sie sagten, das Wasser des Tåkern solle abgelassen werden, und im nächsten Jahre werde der Grund des Sees beinahe so trocken sein wie ein Stubenboden. Deshalb möchte ich wissen, wohin ihr Wildenten euch dann begeben wollt?“
Als Jarro diese Rede hörte, geriet er in einen fürchterlichen Zorn. Wie eine Schlange zischend fuhr er die Katze an. „Du bist boshaft wie ein Bläßhuhn und willst mich nur gegen die Menschen aufhetzen. Ich glaube gar nicht, daß sie so etwas im Sinne haben, denn der See ist das Eigentum der Wildenten, und das müssen die Menschen doch wissen. Warum sollten sie so viele Vögel heimatlos und unglücklich machen wollen? Du hast gewiß das alles nur ausgeheckt, um mir Angst zu machen. Ich wollte, Gorgo, der Adler, würde dich zerfleischen, ja, ich wollte, die Hausfrau schnitte dir deinen Schnurrbart ab!“
Aber mit diesem Ausfall konnte Jarro die Katze nicht zum Schweigen bringen. „So, du meinst also, ich lüge?“ sagte sie. „Dann frage doch Cäsar. Er war gestern Abend auch hier in der Stube, und Cäsar lügt nie.“
„Cäsar,“ wendete sich Jarro an den Hund, „du verstehst die Sprache der Menschen viel besser als Klaurina. Sage, daß sie nicht recht verstanden hat! Bedenke doch, was geschehen würde, wenn die Menschen den Tåkern trocken legten und den Seegrund in Äcker verwandelten! Dann gäbe es doch für die erwachsenen Enten weder Wasserlinsen noch Laichkraut und für die jungen Entlein keine Fischbrut, keine Kaulquappen und keine Mückenlarven mehr. Dann würde auch das Röhricht verschwinden, wo die kleinen Entlein sich verstecken können, bis sie fliegen gelernt haben. Alle Enten müßten ja fortziehen und sich einen andern Aufenthalt suchen. Aber wo sollten sie einen solchen Zufluchtsort finden wie den Tåkern? Cäsar, sag, daß Klaurina nicht recht gehört hat!“
Cäsars Benehmen während dieser Anrede war im höchsten Grade sonderbar. Er war vorher hellwach gewesen; aber als Jarro sich an ihn wendete, gähnte er, legte seine lange Nase auf seine Vorderpfoten, und im nächsten Augenblick lag er im tiefsten Schlafe.
Mit einem durchtriebenen Lächeln sah die Katze auf Cäsar hinunter. „Ich glaube, Cäsar hat keine Lust, dir zu antworten,“ sagte sie zu Jarro. „Er ist gerade wie alle andern Hunde; sie wollen nie zugeben, daß die Menschen unrecht tun können. Aber du kannst dich auf mein Wort unbedingt verlassen. Und ich will dir auch sagen, warum die Menschen den See austrocknen wollen. Wenn ihr Wildenten die Herrschaft über den See noch hättet, würden sie ihn nicht ablassen, denn von euch haben sie doch noch einen gewissen Nutzen.
Aber jetzt haben ja die Taucher und die Bläßhühner und andre Vögel, die den Menschen nicht zur Nahrung dienen, beinahe das ganze Röhricht besetzt, und derentwegen meinen sie den See nicht beibehalten zu müssen.“
Jarro würdigte die Katze keiner Antwort mehr, aber er hob den Kopfund schrie Cäsar ins Ohr: „Cäsar! Cäsar! Auf dem Tåkern gibt es noch so viele Enten, daß sie die Luft wie mit Wolken erfüllen, das weißt du wohl! Darum sag, daß es nicht wahr ist! Nein, die Menschen können nicht im Sinn haben, uns heimatlos zu machen!“
Jetzt sprang Cäsar auf und fuhr so heftig auf Klaurina los, daß diese sich auf ein Wandbrett flüchten mußte. „Ich werde dich lehren, still zu sein, wenn ich schlafen will!“ donnerte er sie an. „Natürlich weiß ich, daß es sich darum handelt, den See in diesem Jahre abzulassen. Aber man hat ja schon so oft über diese Sache gesprochen, ohne daß sie je verwirklicht worden wäre. Und dieses Trockenlegen des Sees ist etwas, was ich durchaus nicht billige. Denn wie sollte es mit der Jagd gehen, wenn der Tåkern ausgetrocknet würde? Du bist ein Simpel, wenn du dich über so etwas freust. Was haben wir denn dann noch für ein Vergnügen, wenn es keine Vögel mehr auf dem Tåkern gibt?“
Der Lockvogel
Sonntag, 17. April
Ein paar Tage später war Jarro fast hergestellt, und er konnte schon durchs ganze Zimmer fliegen. Er wurde denn auch von der Hausfrau gestreichelt, und der kleine Junge pflückte die ersten hervorsprießenden Grashälmchen für ihn. Während die Hausfrau ihn streichelte, dachte Jarro, obgleich er jetzt wieder so gesund war, daß er, sobald es ihm beliebte, an den Tåkern hätte hinabfliegen können, er wolle sich doch noch nicht von den Menschen trennen, ja, am liebsten möchte er sein ganzes Leben lang bei ihnen bleiben.
Aber eines Morgens
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