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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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an das Ufer hinunter, und von da schwamm und watete er nach dem Sumpfholm hinüber. Dort saß Per Ola laut lachend und vor Freude jubelnd auf einem Haufen trocknen Schilfs, die Wildgänse und die Wildenten rings um ihn herum.
    Cäsar blieb lange auf dem Holm, und zwar nicht allein Per Olas wegen. Zum erstenmal in seinem ganzen Leben war er mit den Vögeln des Tåkern in friedlichen Verkehr gekommen, und er verwunderte sich über deren Klugheit. Sie fragten ihn, ob das, was Jarro berichtet habe, wahr sei, daß nämlich der Tåkern wirklich ausgetrocknet werden solle?

„Es ist noch nicht entschieden,“ sagte Cäsar, „aber morgen wollen die Strandeigentümer sich versammeln, um einen endgültigen Entschluß zu fassen, und ich fürchte, diesmal wird der Vorschlag durchgehen. Es ist recht traurig für die Vögel, aber auch für mich ist es kein Spaß, ich verliere das beste Jagdgebiet, das ein Hund je gehabt hat.“
    Die Vögel wurden über die Maßen betrübt, als sie Jarros Aussage durch Cäsar bekräftigen hörten. Die Nachricht lief von einem Röhricht zum andern über den ganzen See hin, und überall erhoben sich laute Klagerufe. Die stolzen Schwäne jammerten nicht weniger als die kleinen Rohrsänger, und die Enten und Bläßhühner, die einander sonst verabscheuen, waren ganz einig darüber, daß dies ein furchtbares Unglück sei.
    Als Cäsar endlich aufbrach, um nach dem Hof zurückzukehren, sagte die alte Akka, die Anführerin der Wildgänse, zu ihm: „Für mich ist es einerlei, denn ich bin nur ein durchreisender Zugvogel, aber wenn du die Vögel wirklich hier am Tåkern behalten möchtest, dann müßtest du den Eltern nicht so bald mitteilen, wo das Kind zu finden sei.“
    Cäsar starrte die Wildgans mit weitoffnen Augen an. „Du bist ganz gewiß eine wunderbare alte Gans,“ sagte er.
    „Ach, mir ist schon manches vorgekommen in meinem Leben,“ sagte Akka, „und ich weiß, es wird uns allen weich ums Herz, wenn wir unsre Jungen verlieren sollen.“

    „Ich werde deinen Rat befolgen,“ sagte Cäsar, „aber ihr steht mir dafür ein, daß Per Ola kein Leid geschieht.“
    Indessen hatten die Leute auf dem Hofe Per Ola vermißt und nach ihm gesucht. Sie suchten in den Wirtschaftsgebäuden, sahen in den Brunnen hinunter und untersuchten den Keller. Dann suchten sie auf Wegen und Stegen, eilten auch auf den Nachbarhof, um zu hören, ob sich das Kind nicht dahin verirrt habe, und schließlich suchten sie ihn auch am Tåkern. Aber so viel sie auch suchten, Per Ola war nirgends zu entdecken.
    Cäsar, der Hund, wußte recht gut, wen die Herrschaft suchte, aber er tat nichts, sie auf die richtige Spur zu leiten. Dagegen lag er ganz ruhig da, als ob ihn die Sache gar nichts anginge. „Es kann euch Menschen nichts schaden, wenn ihr einmal ein paar Stunden lang in Sorge seid,“ dachte er. „Per Ola geschieht da draußen nichts Böses, und den andern gönne ich es, wenn sie ordentlich Angst ausstehen.“
    Später am Tage entdeckte man Per Olas Fußtapfen drunten am Bootschuppen. Und dann merkte man, daß der alte lecke Kahn nicht mehr am Ufer lag. Da begann man zu verstehen, was geschehen war.
    Der Hausherr und die Knechte schoben sogleich die Boote ins Wasser und fuhren hinaus, den Jungen zu suchen. Bis spät am Abend fuhren sie auf dem Tåkern umher, ohne auch nur einen Schein von ihm zu entdecken. Da konnten sie sich nichts andres denken, als daß das alte Fahrzeug gesunken sei und das Kind nun tot auf dem Grunde des Sees liege.
    Am Abend wanderte Per Olas Mutter ruhelos am Strande hin und her. Die andern waren alle überzeugt, daß Per Ola ertrunken sei, sie aber konnte es nicht glauben und suchte und suchte unaufhörlich. Sie suchte zwischen Schilf und Binsen, sie wanderte auf dem sumpfigen Strand umher, ohne zu beachten, wie tief ihre Füße einsanken und wie naß sie wurden. Sie war am Verzweifeln, und das Herz tat ihr unsäglich weh. Sie weinte nicht, aber sie rang die Hände und rief mit lauter, klagender Stimme nach ihrem Kind.
    Rings herum hörte sie die Klagen der Schwäne und Enten und Brachschnepfen. Ihr war, als wanderten alle klagend und jammernd hinter ihr drein. „Sie haben gewiß einen Kummer, weil sie so jammern,“ dachte die Mutter. „Aber es sind ja nur Vögel,“ dachte sie weiter, „die haben sicherlich keinen Kummer.“
    Aber wunderbar war es doch, daß die Vögel jetzt nach Sonnenuntergang noch nicht verstummt waren. Sie hörte, wie alle diese unzähligen Vogelscharen, die rings

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