Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Spion…, wollte sagen, Ihren Freund.“
„Sir“, sagte Barclay, „es ist noch an der Zeit, um zu verhandeln. Der erste Erfolg blendet Sie; aber Sie hoffen doch nicht ernsthaft, ganz England in die Knie zwingen zu können. Machen Sie Ihren Frieden mit uns, es wird genauso zu Ihrem Vorteil sein, glauben Sie mir.“
Er redete auch noch dann auf Corcoran ein, als dessen Reiter einen Boten abfingen, der eine Depesche ins englische Lager bringen wollte. Corcoran brach das Siegel auf und las laut folgendes vor:
Lord Henry Braddock, Generalgouverneur von Hindustan, an Colonel Barclay
„Colonel Barclay wird hiermit in Kenntnis gesetzt, daß die Sepoyrevolte das ganze Königreich Audh erfaßt hat. Lucknow hat den Sohn des letzten Moguls, ein Kind von zehn Jahren, zum Herrscher über Indien proklamiert. Seine Mutter ist Regentin. Sir Henry Lawrence wird in seiner Festung belagert. Fast das ganze Gangestal befindet sich in Aufruhr. Sie müssen, koste es, was es wolle, unbedingt Frieden mit Holkar schließen und Sir Lawrence entsetzen. Später werden wir die alte Schuld begleichen.
gez. Lord Henry Braddock“
Barclay war konsterniert. Er streckte die Hand aus, um die Depesche an sich zu nehmen.
„Bitte“, sagte Corcoran. „Sie kennen zweifellos die Unterschrift Seiner Lordschaft besser als ich.“
Der Colonel starrte fassungslos auf das Papier. Ihn beschäftigte weniger die eigene Gefahr als die seiner Kameraden. Vor seinem inneren Auge sah er schon die Herrschaft der Engländer in Indien unter dem Ansturm der Sepoys in wenigen Tagen zusammenbrechen, und er war verzweifelt, im Moment nichts tun zu können. Nach langem Schweigen wandte er sich schließlich an Corcoran und sagte: „Ich habe Ihnen nichts zu verbergen. Schließen wir Frieden, wenn Sie wollen. Ich bitte Sie nur darum, uns ungehindert abziehen zu lassen.“
„Einverstanden.“
„Was die Kriegskosten betrifft…“
„Werden Sie sie bezahlen“, unterbrach ihn der Kapitän brüsk. „Ich weiß, daß es schwerfällt, sein Geld herzugeben, wenn man geglaubt hat, welches zu bekommen; aber Sie können schuldenfrei sein, wenn Sie für die Aktionäre der höchst ehrenwerten, mächtigen und ruhmreichen Ostindischen Kompanie eine weniger üppige Dividende ausschütten; wenn es ihnen aber peinlich ist, die Dividenden zu kürzen, können Sie natürlich auch Kapitalanteile verkaufen. Übrigens ein gängiger Brauch aller bedeutenden Kompanien in Frankreich und England.“
„Sie sind im Augenblick der Stärkere“, sagte Barclay. „Ihr Wille geschieht und nicht meiner. Soll man dem Friedensvertrag hinzufügen, daß die Ostindische Kompanie den Nachfolger Holkars anerkennt?“ Corcoran lächelte.
„Wie es Ihnen beliebt“, sagte er, „aber meine Sorge soll das nicht sein… Wenn ich der Stärkere bleibe, so weiß ich sehr wohl, daß die Engländer bis zum Ende meiner Tage meine Freunde sind; sollte sich das Glück jedoch wenden und gegen mich sein, werden sie versuchen, mich zu hängen, um sich für den Schrecken, den ich ihnen eingejagt habe, zu rächen. Lassen wir also die diplomatischen Spitzfindigkeiten und versuchen wir lieber, so gut es eben geht, als friedliche Nachbarn nebeneinander zu leben. Wenn wir es können.“
„Bei Gott auch!“ rief der Engländer plötzlich erleichtert aus. „Sie haben recht! Kapitän, Sie sind einer der loyalsten und feinfühligsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Zum Teufel mit diesem ganzen verdammten Krieg! Aber was soll ich machen, er ist nun mal mein Beruf. Ich bin stolz, wirklich, ich bin stolz und glücklich, Ihnen die Hand drücken zu können. Adieu, Fürst Corcoran.“
Corcoran dachte, daß es sicher nicht schwer sei, bei einer Niederlage solche Worte zu finden, und blieb gegenüber der Haltung des Colonels mißtrauisch. Schließlich war der nur ein Angestellter einer unersättlichen Maschinerie.
„Möge Gott Sie in Ihren weiteren Entschlüssen leiten“, sagte er zu dem Colonel. „Kehren Sie nie in das Land der Marathen zurück, es sei denn als Freund. Louison, meine Liebe, gib dem Colonel die Pfote.“
Am selben Abend wurde der Friedensvertrag formuliert und unterzeichnet. Am nächsten Morgen setzten sich die Engländer nach Audh in Marsch. Corcorans Reiterei überwachte sie bis zur Grenze des Reiches.
19.
Interessante Unterhaltung über die Pflichten des Fürstenhauses bei den Marathen
Vierzehn Tage nach Abzug der Engländer war Corcoran in seine Hauptstadt
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