Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Reich auch noch China, Indochina, Malakka und ganz Afghanistan zum Regieren anbieten würde, wir würden uns nicht sperren. Ich werde ab morgen zeigen, daß der Beruf eines Herrschers nicht schwierig sein muß.“
„Herr!“ rief Sugriva aus, wobei er seine Hände dachförmig über den Kopf erhob. „Großer Maharadscha, Held der Wissenschaften mit dem reinen und strahlenden Antlitz, mit Augen, schöner als die Blüte des blauen Lotos, möge Brahma Euch das Glück Aurangsebs und die Weisheit der Dasharithen geben!“
20.
Fortsetzung des Gesprächs
Tage später konnte man in den Straßen von Bhagavapur und allen großen Städten des Reiches folgende Proklamation lesen:
„Fürst Corcoran an das edle, mächtige und unbesiegbare Volk der Marathen
Es hat dem ewigen, unsterblichen, unverwesbaren und gerechten Gott des Werdens gefallen, den ruhmreichen Holkar in seine Obhut zu nehmen, nachdem er mit ihm die roten Barbaren verjagt hat, die aus England gekommen waren, um alle treuen Anhänger Brahmas zu töten, ihre Schätze zu rauben und ihre Frauen und Kinder in die Sklaverei zu führen.
Es hat dem ruhmreichen Holkar gleichfalls gefallen, mich als seinen Sohn anzunehmen und mir seine Tochter, meine heißgeliebte Sita, die letzte blutsverwandte des göttlichen Rama, Sieger über den Dämonenfürsten Ravana und die Geister der Finsternis, zur Frau zu geben.
Mein Wille ist, mich dieser Ehre würdig zu erweisen und das Reich der Marathen in Übereinstimmung mit dem heiligen Gesetz der Vedaschrift und den weisen Ratschlägen der Brahmanen zu regieren. Ich werde kein Verbrechen ungestraft lassen, den Schwachen beschützen und meine Hand über die Häupter der Witwen und Waisen halten.“
Nach dieser Präambel rief der Anschlag zunächst alle Zemindars nach Bhagavapur; darüber hinaus wurden alle Marathen aufgefordert, dreihundert Abgeordnete zu wählen (einen auf fünfzigtausend Einwohner), die damit betraut würden, Gesetze auszuarbeiten und zu verabschieden, öffentliche Ausgaben zu kontrollieren, jeden Mißbrauch anzuzeigen und für Abhilfe zu sorgen. Corcoran Sahib (so nannte man den Fürsten im Volk) würde sich nur darum kümmern, daß die Gesetze eingehalten würden. Jeder Mann im Alter von zwanzig Jahren war wahlberechtigt und wählbar.
Dieser letzte Passus mißfiel Sugriva.
„Was soll das!“ entrüstete er sich. „Soll etwa ein Unberührbarer an der Seite eines Brahmanen sitzen?“
„Warum nicht?“
„Wenn er mich berührt, muß ich mich in den heiligen Fluten des Narbada reinigen.“
„Na und, dann nimmst du eben ein Bad mehr, Sauberkeit ist aller Tugend Anfang.“
„Aber…“
„Würdest du dich lieber von einem Engländer berühren lassen?“
Sugriva machte eine Gebärde des Widerwillens und Abscheus.
„Du hast nur die Wahl zwischen diesen beiden Verunreinigungen“, sagte Corcoran.
„Fürst, glauben Sie mir“, ließ sich Sugriva nicht entmutigen, „drängen Sie nicht darauf. Man wird es Ihnen schlecht vergelten. Man wird Sie ebenso verfluchen, wie man Ihnen anfangs zugejubelt hat. Colonel Barclay wird zurückkommen und Ihren Platz einnehmen.“
„Mein Freund“, erwiderte der Bretone, „ich bin kein legitimer König. Mein Vater war weder ein Sohn Dasharathas noch des Großmoguls. Er war Fischer aus Saint-Malo. In Wahrheit war er viel stärker, viel tapferer und besser als alle Könige, die ich kenne oder von denen die Geschichte spricht; er war französischer citoyen, was in meinen Augen die höchste Auszeichnung der Welt ist; aber schließlich war er eben nur ein Mensch. Also hatte er die Gefühle eines Menschen, das heißt, er liebte die Seinen und die, die so dachten wie er; niemals hat er niederträchtig gehandelt. Das ist die einzige Erbschaft, die er mir hinterlassen hat, und ich will sie bis zu meinem Tod bewahren. Der Zufall hat mir erlaubt, Holkar und euch allen eine starke Hand zu leihen, um die Engländer zu schlagen – vielleicht war es mir vorbestimmt. Derselbe Zufall hat mir Sita zur Frau gegeben, die schönste und beste aller weiblichen Geschöpfe, was aus mir seit vierzehn Tagen einen mächtigen Monarchen und glücklichen Menschen macht. Aber trotz des Beispiels des famosen Aurangseb, das du mir gestern erzählt hast, hat mir meine neue Herrscherwürde nicht meine Einstellung zu der Welt und dem, was sie im Innersten zusammenhält, vernebelt. Ich kenne kein größeres Vergnügen, als auf meiner Brigg um die Welt zu segeln und mein eigener Herr
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