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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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übrigens die einzige populäre Maßnahme, die er jemals durchgeführt hat, denn das Volk, das die Zemindars mehr als den Tod fürchtete, hatte unter ihrer Willkür sehr zu leiden.“
    „Wie!“ entrüstete sich Corcoran. „Holkar, den ich wegen seines weißen Bartes und seiner vornehmen und markanten Gesichtszüge für einen wirklichen Patriarchen hielt, für einen würdigen Nachfahr Ramas und Dasharathas, soll, wie du sagst, ein Schurke gewesen sein? Wem darf ich denn da glauben?“
    „Niemandem“, antwortete der Brahmane weise. „Das Amt verdirbt den Charakter. Unter hundert Männern, die die absolute Macht besitzen, gibt es nicht einen, der nicht bereit wäre, Verbrechen zu begehen. Man begeht sie nicht auf einmal, nicht am ersten, zweiten, dritten Tag der Regierungsübernahme, sondern verstrickt sich ganz allmählich, ganz unmerklich in der Schuld. Kennen Sie die Geschichte des berühmten Aurangseb?“
    „Ein wenig, aber erzähl trotzdem.“
    „Also, er war der vierte Sohn des Großmoguls, der in Delhi residierte. Da er von solch großer Frömmigkeit, Tugend und Weisheit war, wurde er von seinem Vater noch zu dessen Lebzeiten als Mitregent des Reiches herangezogen und schon im voraus als zukünftiger Herrscher des Landes bestimmt. Aber als Aurangseb an der Macht war, verflog seine Frömmigkeit wie Rauch, seine Tugend versank im Wasser wie Erz, und seine Weisheit galoppierte hinweg wie eine vom Jäger verfolgte Gazelle. Seine erste Handlung war, seinen Vater ins Gefängnis zu werfen; die zweite, seinen Brüdern die Köpfe abschlagen zu lassen; die dritte, ihre Parteigänger und Freunde zu pfählen; dann vergiftete er seinen Vater, da es ihn quälte, ihn im Gefängnis zu wissen; und glauben Sie ja nicht, daß Brahma oder Wischnu einen Blitzstrahl zur Erde geschickt oder ihn an seinen Untaten gehindert hätten. Brahma und Wischnu, die ihn bestimmt in einer anderen Welt erwarten werden, haben ihn mit Reichtum, Siegen und Wohlergehen überschüttet; er starb mit achtundachtzig Jahren, verehrt wie Gott, und er hatte nicht ein einziges Mal in seinem Leben große Schmerzen zu erdulden.“
    „Säbel und Kanonenrohr!“ rief Corcoran aus. „Ich muß schon sagen, wenn alle Fürsten deines Landes ebensolche Persönlichkeiten wie der arme Holkar oder der famose Aurangseb sind, dann habt ihr ja gar keinen Grund, sie zu bedauern und gegen die Engländer zu kämpfen, die euch doch von ihnen befreien wollten!“
    „Machen Sie sich nicht über uns lustig, Herr“, erwiderte Sugriva, „denn Sie wissen nur zu gut, daß die Engländer genauso lügen, betrügen, verraten, unterdrücken, brandschatzen und töten wie unsere eigenen Fürsten. Darüber hinaus gibt es keine Chance, ihrer perfekten Organisation zu entgehen. Nehmen wir an, Colonel Barclay hätte Holkar besiegt, er wäre zehnmal unerträglicher als letzterer gewesen, denn zuerst hätte er unser Geld genommen; wir hätten keinen Vorteil gehabt, ihn umzubringen, denn dann würde man uns aus Kalkutta einen zweiten Barclay schicken, der genauso wild und ebenso habgierig wie der erste wäre. Holkar dagegen hatte ständig in Angst gelebt, ermordet zu werden, und diese Angst gab ihm mitunter gesunden Menschenverstand und Mäßigung. Schließlich wußte er, daß wir Brahmanen aus der höchsten Kaste von gleicher Geburt sind wie Könige, und er hütete sich davor, uns zu belästigen, während der Engländer – ich habe es in Benares erlebt – uns brutal mit der Peitsche schlägt, um sich Platz in der Menge zu verschaffen, oder gestiefelt und gespornt die heilige Pagode von Dschagannath betritt, ohne Sorge, sie zu verunreinigen, die der Held Rama nicht eher betreten hätte, bis er sich den sieben Bußen und siebzig Reinigungen unterworfen hätte.“
    Während Sugrivas Worten hatte Corcoran gründlich nachgedacht.
    Ich hätte besser daran getan, dachte er, Sita zu heiraten und mich dann unverzüglich auf die Suche nach dem sagenumwobenen Gurukaramta zu machen, als unüberlegt Holkars Erbschaft anzutreten; aber wer sich die Suppe eingebrockt hat, muß sie auch auslöffeln. Übrigens scheint mir, daß früher oder später Barclay zurückkommen wird, um mir seine Niederlage heimzuzahlen. Also, seien wir keine Spielverderber und warten ab. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und sich an Sugriva wendend, sagte er:
    „Mein lieber Freund, Louison und ich gehören nicht zu der Art von Lebewesen, die vor irgend etwas erschrecken, und wenn man uns außer Holkars

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