Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Vorderpfoten auf Corcorans Schultern; die Schmeichlerin will sich streicheln lassen. Als das der Fakir sieht, fällt er auf die Knie, schreit irgendwas, daß sich Brahmas Wille nun erfülle oder so und der Käptn die was weiß ich wievielte Inkarnation Wischnus ist, weil in den Büchern geschrieben steht, daß Wischnu mit einem gezähmten Tiger erscheinen wird. Dann holt er einen Haufen zerflederter Blätter und drückt sie dem Käptn in die Hand, na ja, und der guckt es sich an und tut überhaupt nicht überrascht, als ob er sein ganzes Leben schon immer Wischnu gespielt hätte.“
Dieser naiv vorgetragene Bericht hatte den größten Erfolg; der Präsident beglückwünschte Kermadeuc, daß er an dieser ruhmreichen Expedition zur Ehre Frankreichs hatte teilnehmen können, und drei Tage später las man in allen großen Pariser Zeitungen den Sitzungsbericht über diesen denkwürdigen Tag.
Demgegenüber erklärten die britischen Zeitungen einmütig, daß besagter Corcoran ein mieser Abenteurer sei, von Beruf Bandit, der das wertvolle Schriftstück des Gurukaramta einem englischen Reisenden gestohlen habe und sich darüber hinaus mit dem Halsabschneider Nana Sahib verbündet habe, um alle Engländer in Indien zu ermorden.
Die deutschen Zeitungen teilten sich in zwei Lager. Die einen versicherten, daß die Entdeckung des Gurukaramta alles andere als eine Neuigkeit sei; ihres Wissens sei das Buch schon seit langem veröffentlicht worden, und Doktor Cornelius Gunkel aus Berlin besitze ein Exemplar im Original, Doktor Hauffert aus Göttingen bereite seit langem eine Übersetzung vor, und Doktor Spellart aus Jena sei gerade dabei, einen Kommentar über den tatsächlichen Ursprung, seine Wirkung auf die immerwährende Idee, das Prinzip und die Struktur des Hinduismus sowie die nicht absehbaren Folgen für das Abendland zu verfassen.
Das andere Lager erklärte freiweg, daß das Schriftstück eine Fälschung sei; daß besagter Corcoran besagtes Gurukaramta niemals zu Gesicht bekommen hätte, geschweige denn Indien; daß die französischen Philologen den deutschen eh nicht das Wasser reichen könnten; daß – wie man ja hierzulande bestens wisse – diese eitle Nation zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik sowieso unfähig wäre, etwas Nützliches und Gutes vorzulegen; daß es eigentlich nur in der Lage sei, zu tanzen und Feuerwerke zu veranstalten; und wenn es tatsächlich einmal einige wenige gäbe, die etwas mehr Sinn und Verstand als die anderen hätten, so verdankten sie das ihrer deutschen Abstammung, weil sie wohl oder übel in Elsaß-Lothringen geboren seien, was wieder einmal konsequenterweise vor Augen führe, daß das Deutsche Reich diese beiden deutschen Provinzen wiederhaben müsse, die man heimtückisch vom großen Vaterland Hermann des Cheruskers abgetrennt habe; und daß schließlich deutsche Säbel, deutsches Denken, deutsche Gelehrsamkeit, deutsche Weisheit und deutsches Sauerkraut (mit Bratwurst!) über alles in der Welt gingen.
Worauf eine französische, sehr bekannte Zeitung erwiderte, wobei sie die unsterblichen Prinzipien von 1789 ins Feld führte, daß es jetzt endlich an der Zeit sei, die Freiheit der Meere und die Neutralisation der Meerengen zu regeln, was nun allerdings mit dem Problem des Gurukaramta eigentlich nicht das geringste zu tun hatte.
Ungeachtet dieses Gezeters in den europäischen Zeitungen lebte Corcoran glücklich und zufrieden in Bhagavapur und regierte nachsichtig sein Volk. Doch ein unvorhergesehenes Ereignis trübte die Freuden seines Lebens und, wie man im nächsten Kapitel sehen wird, auch die Freundschaft, die ihn mit Louison verband.
2.
Erste Eskapade Louisons
Eines Tages saß Corcoran in seinem Park unter dem Schatten üppiger Palmen. Dort hielt er seine Beratungen ab und übte Gerechtigkeit gegenüber den Marathen, wie es der heilige Ludwig weiland in Vincennes zu tun pflegte. Neben ihm las die schöne Sita im Gurukaramta und kommentierte die göttlichen Ratschläge.
Da erschien Sugriva. Der Leser wird sicher nicht vergessen haben, daß Sugriva der furchtlose Brahmane war, der Corcoran so tatkräftig geholfen hatte, die Engländer zu besiegen. In Würdigung seiner Verdienste hatte ihn Corcoran zum Ersten Minister ernannt.
Sugriva stellte sich vor Sita und Corcoran, hob die Hände dachförmig vor die Brust, streckte sie dann zum Himmel; danach setzte er sich auf einen der Perserteppiche und wartete darauf, daß der Maharadscha zuerst das
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