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Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
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ist mir dieser Brief zusammen mit vielen Büchern und anderen Papieren bei einem Schiffbruch abhanden gekommen, und es ist nur ein Brief von Sir William Barrowlinson an Eure Hoheit übriggeblieben, der mich Ihnen wärmstens empfiehlt.“
    „Ja, ich kenne Sir William“, sagte Corcoran lächelnd, „und obwohl mir seine Empfehlungsbriefe recht wenig genützt haben, werde ich seine Unterschrift achten… Lassen Sie einmal den Brief sehen.“
    Er nahm ihn entgegen und las ihn aufmerksam. Sir William Barrowlinson empfahl tatsächlich seinen Schützling Rückert Corcoran mit großer Herzlichkeit und bezeichnete ihn als einen der berühmtesten Gelehrten Europas – oder jedenfalls doch als einen, der zu den größten Hoffnungen berechtigte.
    „Entschuldigen Sie die Strenge dieser Befragung“, sagte Corcoran. „Ich habe Grund genug, den Engländern zu mißtrauen, und im ersten Moment habe ich geglaubt… doch der Brief von Sir William hat mir das Gegenteil bewiesen, ich werde Sie wie einen Freund behandeln. Ich werde Ihnen in Bhagavapur eine Unterkunft geben. Sagen Sie, was Sie für Ihre Forschungen brauchen. Verlangen Sie Elefanten, Wagen, Pferde, Diener, eine Eskorte, alles, was Sie wollen. Mein Palast ist der Ihre, und ich wäre glücklich, an meiner Tafel einen berühmten Gelehrten zu sehen.“
    Dann verabschiedete er ihn, ohne die Dankbezeigungen, die ihm der Deutsche erweisen wollte, abzuwarten.
    „Und du, Sugriva“, instruierte Corcoran den Ersten Minister, als der Deutsche gegangen war, „laß ihn nicht aus den Augen. Ich weiß nicht, warum, aber irgend etwas gefällt mir nicht an ihm. Verweigere ihm übrigens weder Geld noch Auskünfte, welcherart sie auch seien. Wenn er ein Spion ist, wird sein Verrat dadurch nur noch schwerwiegender; wenn er allerdings – was ich hoffen will – ein ehrenwerter Mann ist, so will ich nicht, daß er sich über mangelnde Gastfreundschaft beklagt.“ Sugriva verneigte sich und sprach:
    „Herr, Ihr Wille ist Befehl.“
    Teufel auch, sagte sich Corcoran, als er allein war, das ist so eine Gelegenheit, wo meine arme Louison ihre Spürnase hätte beweisen können. In zehn Minuten hätte sie den Spion unter der Maske des Gelehrten erkannt, wenn er wirklich ein Spion ist. Bei Brahma und Wischnu, sie wäre meine ideale Polizei. Wo sie wohl jetzt stecken mag? Sicher im Dschungel, mit ihrem großen Galan von einem Tiger… Ach, Louison, was bist du undankbar!
    Er vergaß seine eigene Undankbarkeit. Aber man möge sich beruhigen. Er war viel früher im Begriff, Louison wiederzusehen, als er glaubte.
     
     
5.
Louisons Familie
     
    Einige Tage später war der Deutsche schon zum untrennbaren Begleiter des Maharadschas geworden. Er war ein angenehmer Tischgenosse, gemütlich, sehr fröhlich, humorvoll, ein hervorragender Reiter, der leidenschaftlich gern jagte, der tiefsinnig und erschöpfend über Theologie, Theogonie, Kosmologie und Naturwissenschaften mit außerordentlicher Belesenheit diskutierte, dabei derart moderiert widersprach, daß ein Gespräch nicht in bockigem Schweigen endete, sondern durch die Andersartigkeit der Idee wieder neu belebt wurde; und letztlich war er für den kleinen Rama zum unentbehrlichen Spielgefährten geworden; er baute ihm Holzschiffe und Laternen, spielte mit ihm Kasperletheater; kurz, er war ein universeller Geist, und niemand dachte mehr daran, ihn zu überwachen.
    Bei einer Gelegenheit wurde Corcoran jedoch in seinem Verdacht erneut bestärkt, aber an diesem Tag ereignete sich ein so unerwartetes und freudiges Ereignis, daß jede Unruhe durch die Freude über jenes Ereignis erstickt wurde.
    Es war an einem Januarmorgen des Jahres 1860. Corcoran ritt zur Rhinozerosjagd, und Doktor Rückert begleitete ihn; mit von der Partie waren ebenfalls noch etwa zwanzig Bedienstete, die ihnen das Tier zutreiben sollten. Die beiden Weißen waren gute Reiter und aufs beste bewaffnet.
    Sita sah aus dem Fenster ihres Gemachs, wie Corcoran davonritt, und hatte Mühe, den kleinen Rama zu bändigen, der Scindiah besteigen und ebenfalls das Rhinozeros jagen wollte.
    Corcoran und sein Begleiter ritten bis zu der Lichtung, an der der Kapitän seinerzeit schon mit Holkar Jagd auf das Rhinozeros gemacht hatte, während sich die Treiber unter gewaltigem Geschrei in den Dschungel begaben und dort mit großen Steinen um sich warfen, um das Tier zu erschrecken und aus seinem Versteck hervorzulocken. Plötzlich klangen die Schreie anders. Sie hatten zwar ein Rhinozeros gesucht,

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