Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
Trompetengeschmetter und Schwertgeklirr an der Spitze ihrer Regimenter einherflanieren, doch nicht weniger interessant und ihre Leidenschaften nicht weniger leidenschaftlich, elementar und grausam sind. Ich will noch deutlicher werden. Hat nicht Scindiah mit seiner Schwergewichtigkeit, seiner Ruhe, seiner Kaltblütigkeit, seiner Unerschütterlichkeit und seinem immensen Rüssel, der ja im Grunde nichts weiter ist als eine verlängerte Nase, eine gewisse Ähnlichkeit mit jenen großen und noblen Persönlichkeiten, die die Geschicke von mächtigen Reichen lenken? Louison, so fein, so leicht, so mutig, so großmütig zu ihren Freunden, hätte sie nicht mehreren großen Damen als Modell dienen können? Und hatte sie nicht genausoviel Geist und gesunden Menschenverstand wie jedes andere menschliche Wesen (ausgenommen natürlich Corcoran, aber er ist nun mal die Hauptfigur in diesem Buch)? Ist sie nicht durch ihre Kraft und ihr Draufgängertum ein Beispiel für alle Generale der Kavallerie; wenn sie hätte sprechen können, würde sie sicher ein ebenso markantes Beispiel gegeben haben wie Murat oder Blücher.
Was soll man mir also vorwerfen? Sind wir denn so selbstsicher, allen übrigen Wesen der Schöpfung überlegen zu sein, daß uns keine anderen Geschichten zu gefallen vermögen als unsere eigenen?
Ja, ich ziehe den Tiger dem Menschen vor. Der Tiger ist schön, er ist stark; er ist nicht maßlos oder ausschweifend. Er hat wenig Freunde, aber er sucht sie sich mit Sorgfalt aus und begibt sich niemals in die Gefahr, sie zu verraten oder von ihnen verraten zu werden; er schmeichelt niemandem, er liebt die Einsamkeit wie alle berühmten Philosophen; er hat einen Abscheu vor der Sklaverei und hat noch nie fremde Dienste für sich in Anspruch genommen; kurz: Er ist eines der edelsten Geschöpfe unter der Sonne.
Und von welchem Menschen – wenn es nicht gerade einer meiner Leser ist – könnte man dasselbe Loblied singen?
6.
Wie sich Doktor Rückert entlarvt
Brief von George William Doubleface, Chef der Geheimpolizei von Kalkutta, an Lord Henry Braddock, Generalgouverneur von Hindustan
„Bhagavapur, den 15. Februar 1860
Mylord,
der Bote, der diesen Brief Eurer Lordschaft überbringen wird, ist ein verläßlicher Mann, für dessen Verläßlichkeit ich mich verbürge.
Dem Befehl Eurer Lordschaft Rechnung tragend, habe ich mich auf den Weg nach Bhagavapur gemacht und mich bei Hofe dem sogenannten Maharadscha Corcoran mit den Vertrauensbeweisen vorgestellt, die Eure Lordschaft für mich von Sir William Barrowlinson erbeten hatte. Unter dem Namen Doktor Scipio Rückert von der Universität Jena bin ich mühelos bis zu Kapitän Corcoran vorgedrungen, der mich anfangs – ich muß es gestehen – mit Mißtrauen aufgenommen hat. Aber bald ist dieses Mißtrauen – das übrigens seinem natürlichen Empfinden sehr fremd zu sein scheint – dem allerbesten Wohlwollen mir gegenüber gewichen. Wie groß auch sein Scharfsinn ist – ich muß gestehen, daß er alles überschreitet, was man sich vorstellen kann –, seine Sorglosigkeit und Furchtlosigkeit sind indes noch größer; ich bin bei der Ausführung der Mission, die mir anzuvertrauen Eure Lordschaft die Ehre hatten, keinerlei nennenswerten Schwierigkeiten begegnet.
Es ist mir nicht schwergefallen, das Vertrauen der Maharani Sita zu gewinnen. Die Fotografie, die in diesem zurückgebliebenen Land gänzlich unbekannt ist, hat mir als Legitimation gegenüber Sita gedient, die dem Vergnügen nicht widerstehen konnte, sich und ihr Kind abgebildet zu sehen. Inzwischen wurde die Aufnahme in zwanzigtausend Exemplaren reproduziert. In jedem Fall ist das für das Signalement wichtig. Aus diesem Grund habe ich auch versucht, das Porträt des Maharadschas in meine Sammlung einzureihen, doch er hat sich bisher strikt geweigert, mir zu posieren, und ich habe Angst, falls ich zu sehr in ihn dringe, seinen Verdacht zu wecken.
Dafür hat er, nachdem ich ihm den Brief von Sir William Barrowlinson überreichte, keine Mühen gescheut, mir seine Waffen, sein Geld, seine Pferde zur Verfügung zu stellen, und mich bevollmächtigt, nach Belieben in seinem Staat kommen und gehen zu können. Dank meiner perfekten Beherrschung der Hindisprache ist es mir gelungen, die verschiedensten und auch verläßlichsten Informationen zu erhalten, und ich beeile mich, mit derselben Post Eurer Lordschaft einen Plan über seine Streitkräfte zu Lande und zu Wasser zu schicken. Ich sage zu
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