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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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nicht mehr genügend Brot für die eigenen Kinder hatten.
    Am meisten aber diskutierten sie über Johann Tetzel, den Ablassprediger, der Geld für den Bau der Peterskirche in Rom eintreiben sollte. Johann von Schleußig aber hatte es anders erklärt.
    «Albrecht, der Erzbischof von Mainz, hat Schulden bei den Fuggern. Sehr hohe Schulden, die er gemacht hat, um vom Papst zum Erzbischof geweiht zu werden. Nun wollen die Kaufleute ihr Geld zurück, doch Albrecht ist pleite. Sein Hofstaat verschlingt ungeheure Summen für Prunk und Pomp. Der Papst hat ihm einen Ablass zugestanden. Die Hälfte der eingenommenen Gelder geht nach Rom, mit der anderen Hälfte bezahlt der Erzbischof seine Schulden. Er lebt weiter und ohne Gewissensbisse in Saus und Braus, geht in Brokat und Hermelin, während die Armen ihr letztes Kupferstück nehmen, um sich von ihren kleinen Sünden zu befreien.»
    «Sobald der Pfennig im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.» Mit diesen Worten begleitete der Ablasshändler Tetzel seine Verkäufe.
    Johann von Schleußig konnte darüber wütend werden, wie ihn Priska sonst nie erlebt hatte. Doch alle Worte, die er von der Kanzel über seine geduckten Schäfchen donnerte, änderten nichts an Tetzels Zulauf.
    «Wer soll uns sonst aus dem Fegefeuer holen, wenn nicht ein Ablass?», fragten die Leute, und Johann von Schleußig konnte sie nicht davon abbringen. Nur einige Studiosi von der Universität gaben dem Priester Recht und nannten den Mönch Tetzel einen Beutelklopfer und Ablasskrämer, dessen läppische Posen sie nicht länger ertragen konnten.
    Als Tetzel erneut nach Leipzig kam, war Johann von Schleußigs Ärger noch größer als sonst. Denn diesmal hatte der «Ablasskrämer», wie der Priester und einige andere Tetzel nannten, sich eine ganz besondere Überraschung ausgedacht. Nicht nur vergangene Sünden wolle er vergeben,nein, auch für die kommenden wolle er einen Ablass gewähren.
    «Dem werde ich es zeigen», drohte der Priester. «Mit seinen eigenen Waffen werde ich ihn schlagen.»
    Und als nach der Sonntagspredigt die Menschentraube um den Mönch Tetzel besonders dicht war, kam von Schleußig hinzu und verlangte laut nach einem Ablass.
    «Nun, Priester, was soll Euch vergeben werden?», fragte der Mönch.
    «Eine Sünde, die ich erst zu begehen gedenke», antwortete von Schleußig.
    Der Mönch grinste. «Welche Sünde wollt Ihr begehen, mein Sohn?»
    Der Priester tat, als wage er nicht auszusprechen, was er plante. Die Menge ringsumher war still geworden. Ein jeder sah auf den Priester und wartete gespannt.
    «Nun», flüsterte Johann von Schleußig leise, aber doch laut genug, dass ihn alle gut verstehen konnten. «Ich habe vor, einen Überfall im Dienste Gottes zu begehen.»
    Der Mönch runzelte die Stirn. «Ein Überfall im Dienste Gottes? Was soll das denn sein?»
    «Nun, Bruder Johann Tetzel, das werde ich Euch nicht verraten. Am Ende wollt Ihr mich noch daran hindern, wie es Eure Christenpflicht wäre.»
    «Hahaha! Meine Christenpflicht», lachte der feiste Mönch. «Aber nein, ich werde Euch von gar nichts abhalten. Ihr wisst doch: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt. Fünf Gulden, dann seid Ihr frei.»
    Johann von Schleußig gab ihm das Geld, nahm den Brief und ging. Tetzel wandte sich seiner nächsten Kundin zu. Johann von Schleußig aber ließ den Mönch nicht ausden Augen. Er folgte ihm den ganzen Sonntag lang, war dabei, als er zur Thomaskirche ging und dort seinen Handel trieb, und beobachtete mit Grimm, wie der Kasten von den vielen Geldstücken immer schwerer wurde.
    Es war schon dunkel, als sich der Mönch zu seiner Schlafstelle im Paulinerkloster begab. Er schlenderte, ein lustiges Lied auf den Lippen, durch eine stille Gasse, als ihm plötzlich ein Sack über den Kopf geworfen wurde. Dann zog jemand seine Arme nach hinten, sodass Tetzel mit einem Aufschrei die Geldlade fallen ließ.
    Seine Arme kamen frei, er riss sich den Sack vom Kopf und starrte entgeistert – in das Gesicht von Johann von Schleußig, der sich den Kasten unter den Arm klemmte und mit einem spöttischen Gruß davonlief.
    Der Gottesdienst am nächsten Tag war so gut besucht wie an einem hohen kirchlichen Feiertag. Johann von Schleußig hatte dafür gesorgt, dass ganz Leipzig von seinem Abenteuer erfuhr.
    Nun stand er auf der Kanzel, Tetzels Geldlade vor sich.
    Tetzel aber stand unter der Kanzel, hatte den Richter neben sich und schrie nach oben: «Ihr seid ein

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