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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Mann ist. Oder seid Ihr gekommen, um uns auszuhorchen?»
    Drohend trat sie einen Schritt auf Priska zu. «Fragt Ihr etwa, um uns bei der Geistlichkeit anzuschwärzen? Denkt Ihr, wir wären dumm, weil wir Wäscherinnen sind?» Sie hob eine Hand und fuchtelte damit vor Priskas Nase herum. «Ihr solltet nicht so hochfahrend sein, Fräulein. Wir wissen längst, dass die Geistlichkeit ein Auge auf uns hat und mit dem Hexenhammer winkt. Als wäre arm mit böse gleichzusetzen. Erst hat es die Abdecker getroffen, nun sind wir an der Reihe, was?»
    «Ich bin eine Henkerstochter», entgegnete Priska ruhig.
    Die Wäscherin machte ein verdutztes Gesicht.
    «Die Silberschmiedin hat meine Zwillingsschwester und mich vor Jahren aus der Vorstadt geholt, um zu beweisen, dass arm nicht gleich böse ist.»
    «Oh!», machte die Wäscherin. Sie betrachtete Priska noch einmal von oben bis unten, dann nickte sie und schlenderte langsam zurück zu den anderen.
    Zusammen sammelten sie die Wäsche in große Weidenkörbe und gingen über die Wiese zurück zur Stadt. Priska blickte ihnen nach und packte dann die Barsche sorgsam ein. Sie ließ sich absichtlich viel Zeit, sie wollte Adam nachgehen, aber niemand sollte sie dabei sehen. Umständlich kramte sie in ihrer Geldkatze, holte ein paar Kupferstücke hervor, dann einen Viertelgulden, legte ihn zurück. Der Fischer trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. Vonder Thomaskirche hörte man bereits das Läuten zum Mittagsgebet. Die anderen Fischer waren schon längst wieder auf dem Wasser und hatten die Netze ausgelegt. Nur er stand noch hier.
    Schließlich, als die Uferwiesen fast verlassen lagen, reichte Priska ihm die gewünschten Heller. Der Fischer steckte das Geld weg, dann schob er seinen Kahn ins Wasser, nahm das Ruder und war schon fast in der Mitte des Flusses, als sich Priska auf den Weg zum Wäldchen machte. Mit eigenen Augen wollte sie sehen, wie Adam sich geißelte, wie er versuchte, sich zu entschulden. Mit eigenen Ohren wollte sie hören, dass er um Vergebung bat und der Sünde abschwor. Mit einem kurzen Blick überzeugte sie sich davon, dass niemand mehr zu sehen war, dann lief sie in Richtung Wäldchen. Am Waldrand hielt sie inne und lauschte. Als sie einen Mann stöhnen hörte, stellte sie den Korb mit den Barschen auf den Boden, raffte ihr Kleid und eilte tiefer in das Unterholz hinein. Nach einigen Metern wich das Dickicht plötzlich zurück und gab den Blick auf eine winzige Lichtung frei. Auf ihr lag ein Mensch, oder das, was von ihm übrig war. Der ganze Leib zuckte. Sein nackter Rücken war so zerfetzt und mit blutigen Striemen gezeichnet, als wäre er ausgepeitscht worden.
    Priska schrie leise auf, schlug sich die Hand vor den Mund und rannte zu Adam. Entsetzt kniete sie sich neben ihn. Sie hob die Hand, um ihn zu berühren, doch es gab keine heile Stelle mehr auf seiner Haut.
    «Adam?», rief sie. Ein leises Stöhnen war die Antwort. Priska nahm ihren Umhang ab und bedeckte ihn damit. Dann rannte sie zurück zum Acker, der trocken und sonnig dalag. Gleich am Rand wuchs ein Kraut, von dessen Heilkraftihr die Kräuterfrau aus der Vorstadt oft erzählt hatte. Schafgarbe. Sorgsam rupfte Priska die zartesten Blätter ab, bis sie so viel davon hatte, wie sie fassen konnte. Krampfhaft überlegte sie, welches Sprüchlein die Kräuterfrau dabei gemurmelt hatte, doch ihr fiel nichts ein. So rief sie die heilige Margareta an, die Schutzbefohlene aller Kranken. Dann lief sie zurück in das Wäldchen.
    «Schafgarbe nie direkt auf frische Wunden legen», hörte sie in ihrem Kopf die Stimme der Kräuterfrau. «Die Blätter müssen aufgekocht werden. Wenigstens aber muss der Ackerstaub hinunter, sonst entzünden sich die Wunden und werden am Ende gar brandig.»
    Es gab hier weit und breit nichts, um das Kraut abzukochen. Auch der Fluss war zu weit entfernt, um die Schafgarbe wenigstens zu waschen. Nun musste Priska zum ersten aller Heilmittel greifen. «Harn», hörte sie die Kräuterfrau sagen, «hilft sehr rasch bei Entzündungen. Kratzt es im Hals, kann man sogar damit gurgeln.»
    Priska suchte eine Stelle im Wäldchen, die ganz von zartem Moos bedeckt war. Sie machte eine kleine Kuhle, legte die Schafgarbeblätter dort hinein. Dann hockte sie sich über die Kuhle, hob die Röcke und sorgte dafür, dass jedes einzelne Blatt nass wurde.
    Danach eilte sie zu Adam zurück, der sich noch immer nicht rührte. Sie verteilte die nassen Kräuter auf seinem Rücken und den Schenkeln,

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