Die Wunderheilerin
Priska. Würde sich der Teufel als solcher zu erkennen geben, wäre es leichter. So aber liebe ich den Teufel und das Teuflische. Schwer ist es, ihm beizukommen.»
«Ihr solltet es mit kalten Güssen versuchen, wann immer das teuflische Verlangen über Euch kommt.»
«Auch das habe ich versucht. Auch das war vergeblich. Ich bin ein Sünder, Priska. Wenn schon nicht in Taten, dann wenigstens in Gedanken.»
«Ihr … Ihr habt gern getan, was man Euch vorgeworfen hat?», fragte Priska zögernd.
«Gern? Ich weiß nicht. Ich hatte keine Gewalt darüber. Das Verlangen war stärker als ich.»
«Und nun?»
«Vielleicht kann mich die Beichte vor Reimundus reinigen»,erwiderte Adam, aber es klang nicht überzeugend. Er nahm Priskas Hand.
Noch nie hatte er so mit Priska gesprochen. Noch nie waren sie einander so nahe gekommen.
«Warum tut Ihr Euch das an?», fragte Priska vorsichtig. «Warum diese öffentliche Geißelung?»
Adam hob mühsam den Kopf. «Ich bin Arzt», stieß er hervor. «Meine Aufgabe ist es, die Menschen von Krankheiten zu heilen. Doch dafür müssen die Kranken dem Arzt vertrauen. Wie aber kann man einem trauen, der des Nachts hilflos seinem Verlangen ausgeliefert ist? Priska, ich kann nur ein guter Stadtarzt werden, wenn die Leute mir glauben. Wenn sie es wagen, sich mir anzuvertrauen. Ich darf nicht länger sündigen, verstehst du? Der Dämon muss ausgetrieben werden. Mit allen Mitteln. Und so, dass es jeder sehen kann.»
«Ihr habt Euch absichtlich den Fischern und Waschfrauen gezeigt?», fragte sie leise. «Ihr wolltet, dass jeder sieht, wie Ihr Euch geißelt?»
Adam blieb ihr die Antwort schuldig. Doch der Ausdruck seines Gesichtes war so verzweifelt und hoffnungslos, dass Priska zu frieren begann.
Sie nahm seinen Kopf in ihren Schoß und wiegte ihn wie eine Mutter ihr Kind. Langsam entspannten sich Adams Gesichtszüge. Und auch sie wurde ganz ruhig. Lange saßen sie so, sprachen kein Wort.
Als die Sonne hinter den Wipfeln der Bäume verschwand, fragte Adam leise: «Wie hast du mich gefunden? Wer hat dich geschickt?»
Priska überlegte, ehe sie erwiderte: «Vielleicht hat Gott mich zu Euch geschickt.»
Wieder schwiegen sie. Dann, als die Nachtkühle bereits eingesetzt hatte, sagte Priska: «Der Meister David hat einmal gesagt, der Mensch kann selbst entscheiden, ob er zum Tier entarten oder zum Gott aufsteigen will. Ich glaube ihm nicht mehr. Man kann nicht alles entscheiden. So viel Willen hat Gott dem Menschen nicht gegeben.»
«Was willst du damit sagen?», fragte Adam und hob den Kopf, sah Priska in die Augen.
«Sagen will ich, dass in jedem Menschen sowohl ein Tier als auch ein Gott wohnen. Dass nicht alle den Platz wählen dürfen, den sie gern hätten. Die, die die Wahl haben, leben nicht schlecht. Und die, die schlecht leben, haben keine Wahl.»
Adam setzte sich auf. Die Schafgarbeblätter fielen von seinem Rücken. «Haben die Prediger also Unrecht, wenn sie uns weismachen wollen, dass jeder gut sein kann, wenn er nur will?», fragte er.
«Ich weiß nicht, was für alle gilt», antwortete Priska. «Reden kann ich nur von mir. Ich kann mich mühen, wie ich will, gut zu sein, doch es gelingt mir nie auf Dauer. Innendrin wohnt auch das Schlechte. Und das Schlechte verlangt manchmal sein Recht. So bin ich also gut und schlecht zugleich. Wäre ich nur gut, so wäre ich Gott. Wäre ich nur schlecht, wäre ich der Teufel. Aber ich bin ein schwacher Mensch, der die Vergebung Gottes braucht und ersehnt.»
«Du bist klug, Priska. Nein, das stimmt nicht. Weise bist du.» Er hob die Hand und näherte sie ihrem Gesicht, doch Priska wich der Hand aus.
«Bald werdet Ihr Regina zur Gefährtin haben», sagte sie.
Adam nickte. «Es ist gut, dass sie mit mir vor den Altartritt und nicht du, Priska. Du hast etwas Besseres verdient als einen Mann, der dich nicht begehren kann. Geliebt sollst du werden als Mensch und als Frau. Das wünsche ich dir.»
Priska lächelte, dann sah sie hinauf zum Himmel und sagte: «Wir müssen gehen. Vielleicht sucht man schon nach uns. Es wird dunkel.»
Behutsam nahm sie die restlichen Blätter von seinen Wunden. Adam bemerkte sie erst jetzt. Neugierig fragte er: «Womit hast du versucht, mich zu heilen?»
«Mit Schafgarbe. Dort, wo ich herkomme, gab es eine Kräuterfrau. Nach dem Tod meiner Mutter war sie das Liebchen meines Vaters. Von ihr weiß ich, was man gegen Krankheit und Leid tun kann.»
«Du hast Heilwissen?»
Priska schüttelte den Kopf. «Nein,
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