Die Wunderheilerin
und Stolz schwankend.
«Du?», fragte Adam, aber er wirkte keineswegs erstaunt.
«Es ist alles gut gegangen. Ich habe den Säugling dick mit Gänseschmalz bestrichen, damit er genügend Wärme hat.»
«Ein Kind ist geboren!» Johann von Schleußig strahlte über das ganze Gesicht und tätschelte Priska flüchtig die Wange.
Dann wandte er sich an Adam, legte ihm einen Arm um die Schultern und flüsterte leise, aber doch so, dass Priska ihn verstand: «Nicht alles, was man wissen muss, lernt man auf Universitäten. Besonders die armen Leute haben sehr viel Heilwissen.»
«Psst, Priester, ich weiß. Eure Worte sind gefährlich. Wenn die ‹geheimen Heiler› erwischt werden, müssen sie mit hohen Strafen rechnen. Aber meine Besuche in der Vorstadt sind oft lehrreicher als die Vorlesungen.»
Adam hielt inne. Er hatte gemerkt, dass Priska ihren Worten lauschte. Verlegen nickte er ihr zu und lief, um nach seiner Schwester und dem Neffen zu sehen.
Johann von Schleußig blickte ihm nachdenklich nach. Dann wandte er sich Priska zu und klatschte in die Hände. Seine hellen Augen glitzerten vor Freude.
«Komm mit, Priska. Wir wollen das Kind über die Taufe heben.»
Er gab dem Feuerknecht Anweisungen, zur Kirche zu laufen, um die nötigen Utensilien zu holen, dann begab er sich mit Priska ins Zimmer der Wöchnerin, die von der Hebamme unterdessen ins Bett gebracht worden war und den Säugling neben sich liegen hatte.
«Die Lechnerin soll kommen. Sie soll die Patin meines Sohnes sein», sagte Eva, die blass, aber glücklich in den Kissen lehnte. Priska nickte und machte Anstalten, den Auftrag auszuführen. Doch Eva hielt sie am Arm zurück. «Danke dir, Priska. Du hast mir sehr geholfen. Die Hebamme sagte, sie hätte es nicht besser machen können.»
Priska lächelte glücklich, dann eilte sie, die Lechnerin zu holen.
«Und Ihr, Johann von Schleußig, sollt der andere Patedes kleinen Aurel sein», hörte sie Eva weitersprechen, dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
«… taufe ich dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.»
Die Lechnerin hielt den Säugling über die Taufe. Priska stand daneben und strahlte über das ganze Gesicht. Dann übergab die Lechnerin ihr das Kind, weil sie Eva umarmen wollte. Priska nahm Aurel vorsichtig entgegen, achtete darauf, das Köpfchen zu stützen, und fuhr mit dem Finger über die zarte Wange, ganz verzaubert von der Gegenwart des Kindes.
Sie sah nicht, dass Adam neben Evas Bett stand und kein Auge von ihr lassen konnte. «Sie sieht aus wie die Heilige Madonna mit dem Kind», flüsterte er. Eva verstand seine Worte. Sie nickte: «Wenigstens bei ihr habe ich nicht versagt. Wenigstens sie ist so geworden, wie ich mir das immer gewünscht habe.»
Priska war so verzückt vom Anblick des kleinen Menschleins, dass sie Aurel gar nicht mehr hergeben wollte. Johann von Schleußig berührte sie sanft an der Schulter. «Gib mir das Kind, Priska. Ich werde es halten. Du aber geh in die Küche und sieh nach dem Taufmahl und den Nachbarinnen. Ich glaube, sie haben sich bereits im Haus versammelt. Bis hierher kann ich ihr Schwatzen und Lachen hören.»
Priska nickte und knickste und verließ dann das Zimmer der Meisterin. Sie wäre gern noch geblieben, hatte für einen kurzen, glücklichen Augenblick das Gefühl gehabt, dazuzugehören. Doch sie war das Lehrmädchen, was immer auch geschah. Sie war die Bedienstete, das Kind aus der Vorstadt. Niemanden kümmerte es, was sie dachte undfühlte. «Im Grunde», murmelte sie vor sich hin, als sie die Treppe hinunterging, «bin ich nicht mehr als ein irdener Becher. Man nimmt ihn, wenn man ihn braucht, aber niemand käme auf den Gedanken, ihn zu fragen, ob es ihm gefällt, dass ein jeder seinen feuchten Mund an ihm reibt.»
In der Küche murmelte Bärbe, noch immer ganz im Bann der ungewöhnlichen Geburt, Gebete vor sich hin und dirigierte die Nachbarinnen, die mit Speisen und Getränken gekommen waren, um das Taufmahl auszurichten. So wollte es der Brauch.
Eva brauchte Ruhe; auch Johann von Schleußig und Adam kamen nun in die Küche. Priska suchte Adams Blick, sie wollte so gerne wissen, wie seine Beichte verlaufen war, doch sie hatte keine Gelegenheit, ihn allein zu sprechen. Regina wirbelte um ihn herum, machte ihm schöne Augen und nutzte jede Gelegenheit, ihre Reize zur Schau zu stellen.
«Lass das», herrschte Priska sie leise an. Doch Regina kicherte nur und warf den Kopf in den Nacken. «Warum? Meinst du
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