Die Wunderheilerin
sie Regina. «Mach schnell, eile dich.»
Regina öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Eva stöhnte so gotterbärmlich, dass sie sich schleunigst auf den Weg machte.
«Könnt Ihr aufstehen und in Eure Kammer gehen?», fragte Priska.
Eva sah sie an wie ein Tier, das in der Falle saß, und schüttelte langsam den Kopf.
«Sorgt Euch nicht. Wir werden das Kind schon auf die Welt holen.» Priska wollte zur Tür gehen, aber Eva hielt sie am Arm zurück. «Bleib bei mir, Priska. Ich habe solche Angst. Viele Frauen sterben bei der Geburt oder im Kindbett. Ich möchte nicht allein sterben.»
«Ich bleibe bei Euch», versprach das Lehrmädchen. «Die Magd muss saubere Tücher und einen Zuber mit heißem Wasser bringen.»
Eva ließ von ihr ab, und Priska öffnete die Tür und schrie: «Bärbe, wir brauchen warmes Wasser und Leinen.»
Gleich darauf kam die Magd die Treppe heraufgekeucht. Sie blieb mit offenem Mund stehen, als sie die leichenblasse Eva sah.
«Das Kind kommt. Also eile dich», befahl Priska, die plötzlich ganz ruhig wurde. Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Die Hebamme würde nicht rechtzeitig eintreffen. Und ein Gebärstuhl war auch nicht zur Stelle. Priska versuchte krampfhaft, sich daran zu erinnern, was die Kräuterfrau bei den Gebärenden getan hatte.
«Nieswurz», murmelte sie vor sich hin. «Die Kräuterfrau hat ein Pulver aus Nieswurz an die Leibesöffnung gehalten, um die Geburt zu beschleunigen. Und einen Trank aus Myrrhe hat sie verabreicht. Zerriebene Myrrhe. Auch schwarzes Bilsenkraut hat sie benutzt. Doch woher soll ich die Sachen nehmen?»
Ein Schmerzensschrei durchschnitt die Stille des Hauses. Eva krümmte sich zusammen und schnappte nach Luft. Der Schweiß rann ihr über das Gesicht.
Priska suchte die Felle, mit denen die Wandbänke bedeckt waren, zusammen und breitete sie auf dem Boden aus.
«Legt Euch hierhin.»
Sie half Eva beim Hinlegen, schob ihr ein Kissen unter den Kopf. Dann rieb sie ihre Hände gegeneinander, bis sie ganz warm waren, und massierte mit gleichmäßigen Strichen den Bauch der Kreißenden.
Eine neue Wehe tobte durch Evas Leib. Sie keuchte, als hätte sie einen schnellen Lauf hinter sich.
«Priska», flüstert sie, als die Welle abgeebbt war. «Ich habe solche Angst. Ich werde sterben.»
Priska strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn.
«Es gibt keinen Grund für Eure Sorge. Bisher verläuft alles ganz so, wie es sein sollte», sagte sie, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob das wirklich so war.
«Trotzdem», beharrte Eva. «Jeden Tag sterben Frauen bei der Geburt.»
Priska schwieg. Sie wusste, dass Eva Recht hatte. Mehr noch. Sie würde ihr nicht helfen können, wenn die Geburt schwer würde. Nieswurz, dachte sie. Ich brauche Nieswurz und Myrrhe. Gehetzt sah sie sich um. Bärbe war mit dem Wasser beschäftigt, Regina holte die Hebamme.
«Der Feuerknecht», dachte sie laut. «Er muss zum Apotheker laufen und die Kräuter holen.»
Sie eilte zur Tür, riss sie auf und schrie ihre Wünsche in Richtung Küche.
«Was soll ich noch alles tun?», jammerte die Magd. «Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.»
«Schick den Feuerknecht», befahl Priska. «Auf der Stelle soll er sich auf den Weg machen.»
Dann warf sie die Tür zu, überprüfte noch einmal, ob auch die Fenster geschlossen waren, damit die Gebärende und das Neugeborene keinen Zug bekamen.
«Priska, versprich mir eines», bat Eva und presste Priskas Hand so fest, dass es wehtat.
«Versprich mir, dass du dich um Adam kümmerst. Ich befürchte, dass …»
Die Kraft der nächsten Wehe schnitt ihr das Wort ab. Sie verzog das Gesicht vor Schmerz und stöhnte laut auf. Vorsichtig machte Priska ihre Hand frei, kniete sich vor Eva hin und schlug ihre Röcke hoch. Zum ersten Mal sah sie, wie der Schoß einer Frau beschaffen war: das dunkle, krause Haar, die geöffneten Lippen, das zarte Innere, das an eine seltene Blüte erinnerte. Zu gern hätte sie länger geschaut, vielleicht sogar eine Berührung gewagt. Schön kam ihr der weibliche Schoß vor. Warm und weich, satt und prall wie eine Blume. Doch sie wandte den Blick ab, dachte an die Worte der Priester, die so streng davor warnten, sich mit dem Schoß zu beschäftigen. Nur den Hebammen war dies gestattet, sonst niemandem. Wieder ging ein Ruck durch den Körper der Schwangeren. Priska konnte sehen, wie sich der Leib zusammenkrampfte. Der Schoß öffnete sich.
«Das Kind, es kommt. Ich sehe schon das Köpfchen», rief sie
Weitere Kostenlose Bücher