Die Wunderheilerin
andere hier.»
Die Hebamme schnaufte noch einmal, dann war sie zufrieden.
«Also», fuhr sie fort und stützte ihre fleischigen Arme auf den Tisch. «Ich habe den Tod in der Nachgeburt gesehen. Doch das war noch nicht alles. Klein und schwach wird er bleiben, wie es schon die heilige Hildegard lehrt. Der Vater des Kindes ist seit der Fastnacht verschwunden. Niemand weiß, wo er ist. Die Silberschmiedin erzählt zwar jedem, der es hören möchte, dass ihr Mann nach Italien gegangen sei, um die Schwester zu verheiraten, doch wer daran glaubt, der wird selig.»
«Wisst Ihr mehr?», forschte die Lechnerin.
Die Hebamme wiegte den Kopf hin und her und ließ sich eine ganze Weile bitten, bis sie mit der Sprache herausrückte.
«Er soll nicht ganz richtig im Oberstübchen gewesen sein, der Silberschmied. Ein Eiferer und Schwärmer sei er, habe ich gehört. Nun, und letzte Woche, als ich im Frauenhaus eine der Huren entbunden habe, da hörte ich, dass erHaus und Hof verlassen hat, um mit der Schwester der Silberschmiedin, mit Susanne, zu leben.»
Priska seufzte und wechselte einen Blick mit der Lechnerin, doch alles, was die Hebamme tratschte, war besser als die Wahrheit. David war ein Mörder. Und Davids neugeborener Sohn verdammt, wenn die Wahrheit herauskam.
«Lechnerin, was wisst Ihr darüber?», wurde Evas Freundin von den anderen Frauen gefragt. Ute räusperte sich, ehe sie antwortete: «Es stimmt schon, dass David und Susanne gemeinsam das Haus verlassen haben. Aber es ist, wie die Silberschmiedin sagt: Eine Hochzeit in Italien ist der Grund.»
«Nun gut!», erwiderte die Hebamme, lehnte sich bequem zurück und verschränkte die Arme vor dem gewaltigen Busen. «Wir werden ja sehen, ob er wiederkommt, der Silberschmied. Das Kind jedenfalls wird kein glückliches, langes Leben haben.»
Priska konnte das geschwätzige Weib kaum noch ertragen. Das Schlimmste aber war, dass die Meisterin ihre Lüge nicht mehr lange aufrechterhalten konnte. Geb’s Gott, betete Priska im Stillen, dass das Weib bald ein neues Opfer findet und sich nicht länger um die Geschehnisse in der Hainstraße bekümmert. Was soll sonst aus mir werden?
Um das Kind sorgte sie sich nicht. Zwar hatten Bärbe und die Hebamme seinen frühen Tod prophezeit, doch daran war nichts Ungewöhnliches. Ein Drittel aller Kinder starb, bevor sie das erste Jahr beendet hatten. Und mehr als ein Viertel starb, noch ehe sie die Kindheit hinter sich gelassen hatten. Sie hatte das Kind ans Licht der Welt geholt, alles andere lag nun in Gottes Hand.
Am Abend, die Frauen waren längst gegangen, und auch Johann von Schleußig hatte sich auf den Heimweg gemacht, waren nur noch Priska und Adam in der Küche.
Bärbe war gerade hinausgegangen, um die Essensreste in den Abfallgraben neben das Haus zu werfen. Die frei herumlaufenden Schweine würden sich daran gütlich tun. Regina aber nutzte Evas Erschöpfung, um sich aus der Kleidertruhe der Meisterin ein besonders schönes Kleid auszusuchen. Priska wollte sich verabschieden und in ihre Kammer gehen, als Adam sie zurückhielt.
«Priska, warte», sagte Adam leise und hielt sie dabei am Ärmel. «Du musst mir helfen.»
«Wobei? Die Beichte ist vorüber; Reimundus hat Euch Vergebung gewährt, den Ablassbrief habt Ihr bekommen. Oder etwa nicht?»
Adam schlug die Augen nieder.
«Doch, ja. Aber ich würde mich gern von ihm verabschieden. Ihn ein letztes Mal sehen und ihm Glück für die Zukunft wünschen.»
«Was? Ihr wollt Euren Liebsten besuchen? Am Tag vor der Verlobung? Nur wenige Stunden nach der Beichte?»
«Gott hat mir vergeben. Reimundus hat es bestätigt. Einem jeden, der Reue übt, wird vergeben.»
«Von Gott ja, aber nicht von den Menschen. Wir sind in Leipzig, Adam. Hier richtet nicht Gott, hier richten die Menschen. Seht den Ablass als Beginn eines neuen Lebens an, Adam. Lasst die Schuld hinter Euch. Ihr habt von Gott die Möglichkeit dazu bekommen.»
Adam schwieg. Er sah Priska nur an. In seinen Augen stand eine Leere, die Priska erschreckte.
Sie seufzte, dann schüttelte sie den Kopf. «Nein, Adam.Ich kann Euch nicht helfen. Ihr habt wahrhaftig gegen den Dämon gekämpft. Sorgt dafür, dass er nicht mehr wiederkommt.»
So fest wie möglich sah sie ihn an.
«Warum?» Adams Frage kam als Flüstern.
Priska schüttelte wieder den Kopf. «Weil es ist, wie es ist. Eure Art der Liebe ist schlecht. Gott hat Euch nicht geschaffen, um einen Mann zu lieben und Eure Seele an ihn zu verschwenden. Mit einer
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