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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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die das bittere Getränk in großen Zügen schluckte. Kaum hatte sie ausgetrunken, tobte erneut eine Wehe durch ihren geschundenen Körper. Noch einmal nahm die Silberschmiedin alle verbliebene Kraft zusammen, dann schlüpfte das Kind aus ihrem Leib und wurdevon Priskas sanften Händen in Empfang genommen. Regina sah mit großen Augen auf das fettig-blutige Etwas in Priskas Händen.
    «Und?», fragte Bärbe lauernd und tupfte Eva mit einem Tuch das Gesicht trocken. «Nach Hildegard müsste es ein Mädchen sein oder wenigstens ein ganz schwacher Junge.»
    «Halt den Mund, Tratschmaul», herrschte Priska die Magd an, die empört schnaubte. Das blutverschmierte Kind in Priskas Arm rührte sich nicht. Es hatte die Augen geschlossen, die bläulichen Lippen zusammengepresst. Der Körper war so zart, dass Priska befürchtete, die kleinste Berührung reiche aus, das Kind zu verletzen.
    «Da!», beharrte die Magd. «Seht Ihr! Es zuckt nicht. Ich habe es gesagt!»
    «Lebt es?», flüsterte Regina. Priska zuckte die Achseln. Doch dann nahm sie den Säugling hoch und schlug mit der flachen Hand auf den kleinen Hintern – und das Kind begann leise und kraftlos zu krähen.
    Eva lächelte. Sie wirkte unendlich erschöpft. Ihr Haar war schweißnass und strähnig, die Haut rotfleckig, und unter ihren Augen lagen tiefe dunkle Schatten. Doch in ihrem Gesicht stand ein Lächeln.
    «Es ist ein Knabe», erklärte Priska und durchtrennte vorsichtig die Nabelschnur.
    Ihre Stimme war zuversichtlich, doch sie hatte Angst um das Neugeborene. Seine Haut war bläulich, die Stimme ganz kraftlos. Es war so winzig klein und bewegte sich nicht. Vier Wochen zu früh war es geboren, und Priska befürchtete das Schlimmste.
    «Er sieht aus, als ob er friert», sagte plötzlich Regina, und in ihrer Stimme klangen Mitleid und Furcht.
    Plötzlich kam Priska ein Gedanke. Natürlich fror der Säugling. Die ganze Zeit über war er im warmen Leib der Mutter gewesen, nun war er der Kälte ausgesetzt. Zwar loderte im Kamin ein Feuer, doch die Wärme reichte sicher nicht aus, die Wärme des Mutterleibs zu ersetzen.
    Was tat man, wenn man fror? Womit schützten sich die armen Leute im Winter? Womit rieben die Fischer ihre Hände und Gesichter ein, wenn sie bei Schnee und Eis mit ihren Booten auf den Fluss fuhren? Mit Fett! Mit Schmalz!
    «Geh in die Küche», befahl Priska der Bärbe, «und hole den großen Tontopf mit dem Gänseschmalz.»
    «Und bringe gewürzten Rotwein mit Eigelb und Zucker für die Silberschmiedin mit, damit sie rasch zu Kräften kommt», fügte Regina hinzu.
    Dann wusch sie den Kleinen sorgsam in dem warmen Wasser, während Priska sich um die Meisterin kümmerte. Behutsam tupfte sie mit einem Läppchen das Nieswurzpulver vom blutenden Schoß der Mutter. Die Kräuterfrau, sie erinnerte sich plötzlich, als wäre es gestern gewesen, hatte einmal vergessen, das Pulver zu entfernen. Nachher hatte man ihr vorgeworfen, dass die Wöchnerin einen schlimmen Schnupfen bekommen hatte.
    Als die Meisterin versorgt und der Säugling gebadet war, rieb Priska mit Honig und Rosenblättern die letzten Reste von Blut und Schmiere von dem winzigen Körper und hüllte ihn in ein sauberes Stück Tuch. «Er ist sehr klein und zart. Die Wärme des Mutterleibes fehlt ihm. Er ist vier Wochen vor der Zeit. Ich reibe ihn dick mit Gänseschmalz ein, damit er nicht friert», erklärte sie ihr Tun.
    «Mit Gänseschmalz?», fragte Eva mit schwacher Stimme.
    «Ja. Die Leute in der Vorstadt haben es so gehalten. Das Schmalz hält die Wärme.»
    Die Silberschmiedin schaute misstrauisch drein, doch Regina warf ein: «Ja, ich erinnere mich. Schmalz oder Öl. Die Kräuterfrau hat es bei unserer jüngsten Schwester so gemacht.»
     
    Später, als Eva und der Säugling versorgt waren, erschien endlich die Hebamme. Sie kümmerte sich sofort um Eva, begutachtete mit kritischem Blick das Kind.
    «Glück habt Ihr, Silberschmiedin, dass Ihr eine so gute Helferin hattet. Das Gänseschmalz hat dem Kleinen wahrscheinlich das Leben gerettet. Ein Wunder, wie gut Euer Lehrmädchen sich auskennt.»
    In diesem Moment kamen Adam und Johann von Schleußig aus dem Paulinerkloster zurück.
    Priska eilte zu ihnen. «Die Meisterin, das Kind, es ist geboren», stammelte sie.
    «Evas Kind ist gekommen?»
    Priska nickte. «Ein Knabe.»
    Adam riss die Augen auf. «Geht es ihr gut? Und dem Kind auch? Kam die Hebamme zur rechten Zeit?»
    «Ich habe das Kind entbunden», sagte Priska, zwischen Trotz, Scham

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