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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Frau solltet Ihr sein. Kinder solltet Ihr haben. Das ist der Sinn der Liebe und der Ehe. Nichts sonst. Reimundus hat Euch reingewaschen von der Schuld. Ihr seid nun unbefleckt. Seht zu, dass Ihr es bleibt.»
    «Du, Priska? Du redest so? Redest wie die anderen, die es nicht besser verstehen? Redest wie die, die nicht wissen, was Liebe ist?»
    «Auch ich weiß nicht, was Liebe ist», erwiderte Priska, drehte sich brüsk um und verließ die Küche.

Sechstes Kapitel
    In der Nacht, als die Stadt im tiefen Schlummer lag, erhellte plötzlich ein goldenes Licht ganz Leipzig. Das Licht kam von der Grimmaischen Straße her und krönte die Dächer der Häuser mit einem Heiligenschein. Der Turm der Nikolaikirche strahlte, als wäre die Gnade Gottes über ihn gekommen. Die Gnade jedoch währte nicht lange, denn schon quoll Rauch durch die Gassen wie ein großes dunkles Tier. Er schlüpfte in die Häuser, drang in die Gemächer, kroch unter die Bettdecken und am Ende gar in die Münder.
    Gleich darauf begannen die Glocken aller Kirchen Sturm zu läuten.
    Priska schreckte hoch. Sie sprang aus dem Bett, riss die Fensterläden auf – und konnte den Brand, den die Sturmglocken verkündeten, riechen.
    Als sie sich aus dem Fenster beugte, sah sie, dass die Straße schon belebt war wie an einem Markttag. Die Zunftmänner rannten mit Eimern hin und her, schleppten Wasser vom städtischen Brunnen. Die Frauen hingen in den Fenstern oder standen in den Gassen beisammen, einen Umhang nur nachlässig über das Nachtgewand geworfen und die Nachthaube auf dem Haar. Aus allen Häusern, aus allen Gassen strömten Menschen. Manche husteten, andere beteten laut, die Dritten schlugen das Kreuzzeichen.
    Dort, wo die Hainstraße auf den Marktplatz führte, hatte ein Flagellant ein Fass herangerollt und war darauf gestiegen. «Asche zu Asche», brüllte er und warf die Arme zum Himmel. «Asche auf das Haupt der sündigen Stadt. Wir alle sind Verdammte, die der Herr mit Feuer straft. In der Schrift steht geschrieben von den sieben apokalyptischen Reitern. Heute nun ist der letzte nach Leipzig gekommen. Hört, Ihr Leute, was in der Schrift geschrieben steht: Die Sonne wurde schwarz wie ein Trauerkleid, und der ganze Mond wurde blutrot. Wie unreife Äpfel fielen die Sterne vom Himmel. Alle Menschen versteckten sich in ihren Höhlen   …»
    «Was ist los?», rief Priska nach unten zu den Frauen. «Woher kommt das Feuer?»
    «Das Paulinerkloster steht in Flammen», wurde ihr zugerufen. «Alles brennt lichterloh!»
    Priska traf diese Nachricht wie ein Schlag ins Gesicht. Reimundus hatte im Paulinerkloster Nachtlager gefunden. Und dort hatte er auch Adam die Beichte abgenommen. Nun stand das Kloster in Flammen. War das ein Zeichen?
    Eine dunkle und schwere Ahnung stieg in ihr auf, nahm ihr die Luft. Es ist der Rauch, beruhigte sie sich. Nur der Rauch.
    Dann sprang sie vom Bett und verließ ihre Kammer. Plötzlich hatte sie es eilig. Die Unruhe raste durch ihr Blut. Sie schlug mit beiden Fäusten gegen Reginas Tür. «Es brennt», schrie sie. «Wach auf, es brennt!»
    Sie wartete nicht auf die Antwort, rannte weiter zur Kammer der Silberschmiedin, schlug auch dort gegen die Tür, eilte die Treppe hinunter zur Küche, doch Bärbe war nicht da, auch der Feuerknecht fehlte, sie rannte zurück,die Treppe hinauf, stolperte über den Saum des Nachtkleides, rappelte sich auf, nahm Stufe um Stufe, rang nach Atem dabei, kam endlich ins Obergeschoss, hämmerte an Bärbes Tür, dann an die des Feuerknechtes.
    «Steht auf, steht auf. Es brennt.»
    Sie wartete auch diesmal nicht, bis die Kammertüren sich öffneten, rannte zurück in die Küche, von dort über den Hof zur Werkstatt. Sie nahm die Eimer, drei Stück, obwohl sie nur zwei Hände hatte, und eilte damit auf die Straße. An den Frauen vorbei lief sie zum Brunnen, füllte die Eimer, eilte, schwankend unter der Last, zum Kloster.
    Ein Mönch nahm ihr die Eimer ab, gab sie weiter, reichte ihr drei leere. Sie ergriff sie, kehrte zurück zum Brunnen, ließ die Eimer füllen, rannte zurück, atemlos, keuchend, hustend.
    Stunden vergingen so. Priska erkannte nicht den Feuerknecht, der nun auch gekommen war, sah nicht Johann von Schleußig, der an der Wasserleitung aus Kiefernstämmen stand, die zum Brunnen des Klosters führte. Auch von den anderen Brunnen, die an den Röhren lagen und sich auf dem Marktplatz und am Brühl befanden, kamen die Helfer gerannt. Einer sagte: «Wie gut, dass unser Röhrenmeister Andreas

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