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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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aus. «Ihr müsst nur noch ein wenig pressen, dann habt Ihr es geschafft.»
    Von draußen tönten die Glocken, die zur Vesper riefen. Priska dachte an Adam. Jetzt musste er den Beichtstuhl betreten und vor Reimundus, dem Ablassprediger, seine Sünden bekennen.
    Oh, sie wäre so gern in seiner Nähe gewesen. Sie hatte ihr ganzes Geld heute Morgen für eine dicke Wachskerze ausgegeben, die sie für Adam auf den Altar stellen wollte. Für Adam und ein wenig auch für sich selbst. Einmal nur legte Reimundus den Ablasskranz aus und gab damit den Leipzigern die Möglichkeit, sich von den Sünden freizukaufen. Oh, Priska sehnte sich so danach, für den Kuss der Silberschmiedin und all die großen und kleinen Sünden, deren sie sich schuldig gemacht hatte, Vergebung zu erlangen. Doch sie musste bleiben, bis die Hebamme kam.
    «Wo bleibt Bärbe mit dem Wasser?», sprach sie mit sich selbst. «Wie lange braucht Regina denn noch? Wann kommt der Feuerknecht?»
    Im selben Augenblick ging die Tür auf, und die Magd brachte den Zuber. Das frische Leinen trug sie über dem Arm.
    Wieder kam eine Wehe, die Eva aufschreien ließ.
    «Bärbe, du hältst ihren Kopf, massierst vorsichtig den Bauch. Das Kind kommt.»
    Nun wurde auch Bärbe blass. Vor lauter Aufregung fing sie an zu plappern. «Wenn ein Mann mit dem Erguss eines kräftigen Samens in rechter Liebe und Zuneigung zum Weibe sich diesem naht und das Weib zur selben Stunde ebenfalls die rechte Liebe zum Manne empfindet, so wirdein männliches Kind empfangen, weil dies so von Gott angeordnet ist», schwatzte sie drauflos.
    Priska runzelte die Stirn. «Lass den Unsinn», sagte sie. «Woher willst du wissen, wie empfangen und geboren wird?»
    «Ich weiß es. Der Priester, dem ich früher den Haushalt besorgt habe, unterrichtete die Kinder der reichen Herrschaft da draußen im Dorfe Zschocher und beriet Frauen und Männer in allen Lebenslagen. Einmal hörte ich, wie er ein Ehepaar, das keine Kinder bekommen konnte, über Empfängnis und Geburt aufklärte. Sein Wissen, so sagte er, hätte er aus den Aufzeichnungen einer Äbtissin. Hildegard von Bingen war ihr Name.»
    Priska sah, dass die Augen der Magd beim Namen der Äbtissin leuchteten. Ist sie auch eine Schwärmerin?, fragte sie sich, doch sie hatte keine Zeit, der Frage auf den Grund zu gehen. Eva schrie. Sie warf den Kopf hin und her, blickte wie irre auf Bärbe, die in ihrer Not einfach weitersprach: «Und es ist so, wie Hildegard sagt, weil auch Adam aus Lehm geschaffen wurde, der ein kräftigerer Stoff ist als Fleisch. Dieser Knabe wird klug und reich an Tugenden werden, weil   …»
    Priska hörte das Geplapper der Magd wie durch einen Nebel. «Halt den Mund, Waschweib», befahl sie. «Du machst die Meisterin ganz närrisch damit.»
    Doch Bärbe hörte sie nicht. Ihre Augen waren in die Ferne gerichtet. Unbeirrt leierte sie ihre Suada herunter: «Empfindet nur der Mann Verlangen zum Weibe und dieses nicht zu ihm, oder fühlt nur das Weib die rechte Liebe zum Manne und dieser nicht zu ihm, ist zur selben Stunde der männliche Samen dünn, so entsteht, weil dem Samen dieKraft fehlt, nur ein Mädchen. Ist aber der Samen des Mannes voll kräftig, hat aber keiner die Liebe des anderen, so wird ein Knabe gezeugt, weil trotzdem der Samen seine Vollkraft hatte. Der Knabe wird aber ein unangenehmer Mensch werden wegen der gegenseitigen Abneigung der Eltern. So muss es auch bei unserem Meister David gewesen sein.»
    Wieder wurde Eva von einer Wehe überrollt und wand sich unter Priskas Händen. Bärbe bemerkte die Schreie ihrer Meisterin nicht, aber wenigstens schien sie am Ende ihres Sermons angekommen zu sein. Sie warf einen Blick auf die Gebärende, der Priska voller Abscheu schien. «Das Kind der Meisterin wird ganz bestimmt schwächlich und von üblem Wesen sein. Wahrscheinlich wird es das Erwachsenenalter nicht erreichen», prophezeite sie düster. Priska fuhr hoch. Sie wollte dem Weib endgültig den Mund verbieten, doch da geriet Evas Leib in starke Bewegungen.
    «Es kommt», rief Priska aufgeregt. In diesem Augenblick stürzte Regina herein, zwar ohne Hebamme, aber dafür mit Nieswurzpulver und Myrrhentrank, die sie vom Feuerknecht bekommen hatte.
    «Es kommt. Ihr müsst pressen, Meisterin, es aus Eurem Schoß drücken.»
    Dankbar nahm Priska das Nieswurzpulver, verrieb etwas davon um Evas Schoß herum.
    «Regina, versuch, der Meisterin den Myrrhentrank einzuflößen», bat sie. Die Schwester hockte sich neben die Meisterin,

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