Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
orientalischen Mustern bedeckten den Boden; an den freien Wänden hingen leuchtende Tücher, die zu den Räucherstäbchen passten.
    Es gab eine gemütliche Ecke weiter hinten im Laden, in der ein runder Tisch mit kunstvollem Steinmosaik und passenden Stahlstühlen stand. Auf einem Regal befand sich ein Kaffeeautomat.
    Die Lampen an der Decke verströmten warmes Licht. Ein kleiner Brunnen, in dem Wasserschildkröten schwammen, plätscherte in der Stille. Eine enge Wendeltreppe aus Stahl führte nach oben, wo weitere Kisten mit alten Büchern herumstanden, darüber hinaus zwei Liegestühle, in denen man schmökernd einschlafen konnte, wenn man wollte, und ein paar Korbstühle, die meistens von den beiden Katzen, Titus und Tatz, besetzt waren – Mica mochte die Bücher von S. F. Said.
    »Mr. Chance hat wieder eine Ladung vorbeigebracht.« Mica deutete nach hinten, ins Büro. Eigentlich war es nur ein weiterer Raum mit einem Schreibtisch und einem Laptop. Mica hielt zwar nicht das Geringste von elektronischen Büchern, gegen einen Laptop aber hatte er nichts einzuwenden.
    Faye sah, dass zwei große Umzugskisten auf dem Boden standen.
    »Das sind ganz schön viele.«
    »Und dazu fast neuwertig.«
    »Wie immer.«
    Mr. Chance aus Cobble Hill brachte etwa alle drei Wochen eine Kiste oder auch, wie heute, gleich zwei mit jüngst gelesenen Büchern vorbei. Ausnahmslos waren es Hardcover, samt und sonders in allerbestem Zustand.
    »Er nimmt die Schutzumschläge ab, wenn er sie liest«, sagte Mica.
    »Weiser Mann«, antwortete Faye.
    »Ich bin zu alt, um sie ein zweites Mal zu lesen«, hatte Mr. Chance einmal erklärt. Er rauchte Zigaretten der Marke Schimmelpenninck und sah immer aus, als habe er nächtelang nicht geschlafen, was, betrachtete man die Bücher in den Kisten, wohl auch so war.
    »Übernimmst du das?«
    »Ist gut.« Faye zog sich nach hinten zurück. Ein dünner Vorhang trennte das Büro vom Laden. Dort konnte sie in Ruhe die Bücher auspacken.
    Sie notierte jeden Titel in einer Liste in einem schwarzen Notizbuch. Mica führte Bücher, keine Dateien. Den Laptop nutzte er zum Surfen und zur Pflege seiner privaten Shaolin- und Yoga-Homepage. Sie machte sich einen Tee und besah sich die Romane, die Mr. Chance in den letzten beiden Wochen gelesen hatte: E. O. Wilson, Joseph Roth, Nicholas Christopher, Siri Hustvedt, Ethan Canin, Mark Helprin, Glen David Gold, Richard Ford, Edgar Rice Burroughs, Cormac McCarthy. Sie ordnete die Romane nach den Autoren und stapelte sie ordentlich auf dem Schreibtisch. Gedankenverloren trank sie ihren Tee, träumte sich durch die Geschichten und Welten, die sie da stapelte, und dachte an den Songtext, den sie am Vorabend begonnen hatte. In der Tat hörte er sich an wie ein altes Seemannslied, aber er war irgendwie beschwingt. Dafür, dass er von Abschied handelte, war er wirklich äußerst beschwingt.
    Vorn betrat derweil ein Kunde den Laden. Sie hörte es an dem Bimmeln der Türglocke.
    Das war der Moment, der diesen Tag zu etwas Besonderem machte.
    In dem Moment, als sich ihr Leben änderte, ahnte Faye natürlich nicht, dass dies der Moment war, in dem sich ihr Leben änderte. Es war nur ein weiterer Moment, so gewöhnlich wie die Staubkörner, die im Licht tanzten. Faye begutachtete die Bücher auf dem Schreibtisch, und vorn, im Laden, sprach Mica mit einem Kunden. Nichts an diesem speziellen Moment war ungewöhnlich oder gar außergewöhnlich.
    Zugleich aber spürte Faye, dass dieser Augenblick irgendwie anders war. Anders als gewöhnlich. In einem Kinofilm hätte jeder Zuschauer gewusst, dass jetzt etwas passierte. Etwas, was wichtig war. Schon allein die Filmmusik hätte darauf hingewiesen. Faye Archer aber lebte in keinem Film, und so ahnte sie, sah man von einem komischen Gefühl ab, nichts von alledem.
    Letzten Endes lag es an der Stimme des jungen Mannes. Sie hörte diese Stimme, und alles in ihr wurde wach. Es fühlte sich so an, als würde sie aus einem tiefen Schlaf aufwachen, ruckartig und unverhofft, ohne zu wissen, was los war, einfach nur so, mit pochendem Herzen und einem komischen Gefühl überall.
    »Eine schöne Ausgabe«, hörte sie Mica Sagong sagen. »Wirklich. Einzig der Einband ist ein wenig beschädigt, aber das macht die Seele des Buchs aus.«
    »Ja.«
    »Und, nicht zu vergessen, eine schöne Geschichte.«
    »Manche Geschichten«, sagte der junge Mann, »sind wie Melodien.«
    Faye Archer fühlte sich mit einem Mal so rot mit weißen Punkten wie lange nicht

Weitere Kostenlose Bücher