Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
Düften nahmen sie notgedrungen die Parade ab, mit der Hand an der Stirn und innerem Bedauern, dass die Krawatte im Koffer lag. Sie machten ihre Sache nicht übel, so lange, bis der nigerianische Ministerpräsident, der mit einer Militärmaschine in Delhi gelandet war, auf dem roten Teppich erschien.
Die schweren Gerüche der indischen Gewürze und die Vögel mit den großen Schwingen, die bei ihrem Gesang das Gerassel der Parade nachahmten, all das sagte den beiden Freunden, dass sie sich nicht mehr im Norden befanden. Schweißgebadet und erschöpft von der langen Reise mieteten sie sich in einem klimatisierten Viersternehotel Neu Delhis ein. Sie empfanden es als Wohltat, ein kühles und sauberes Zimmer beziehen zu können. Nachdem sie geduscht hatten, zogen sie sich die Schlafanzüge, also kurze Unterhosen, an und legten sich nieder. Vor dem Einschlafen schaltete Kalle die Gebetsmühle ein. Gemeinsam lauschten sie der Andacht, die der Steward der Air France aufgenommen hatte, anschließend fielen sie in einen tiefen und kühlen Schlaf.
Am nächsten Tag stellten sich Kalle und Lauri ein Verzeichnis all jener Firmen und Institutionen zusammen, die möglicherweise an einem mechanischen Gott interessiert waren. Kalle fand, dass es günstig wäre, den ersten Kontakt zur indischen Glaubenskultur über Maschinenfabriken und Autowerkstätten herzustellen. In Glaubensfragen hatten Männer der Praxis den meisten Einfluss, größeren noch als Geistliche. Frauen als religiöse Führer gab es heutzutage gar nicht mehr in diesem Land. Die Zeiten von Indira Gandhis Macht waren lange vorbei, und eine ernst zu nehmende Nachfolgerin schien es nicht zu geben.
Gegen Mittag fuhren beide zu Neu Delhis größter Autowerkstatt, die viele westliche Marken reparierte und auch selber produzierte. Die Werkstatt beschäftigte dreihundert Mechaniker, außerdem hatte sie in den Unionsstaaten große Niederlassungen. Das Ganze glich einer Handelskette, die Arme der Werkstatt reichten in sämtliche Provinzen des Riesenlandes. Falls die finnische Gebetsmühle den Technikern dort gefallen würde, könnte sich niemand mehr dieser neuen und kühnen Art der Religionsausübung entziehen, die die beiden Finnen entwickelt hatten. So könnte man dieser Methode zur Weltgeltung verhelfen, die darin bestand, den Einschaltknopf an einem Apparat zu betätigen.
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Lauri Lonkonen und Kalle Homanen betraten die Werkstatt. Im Gepäck hatten sie den Prototyp der Gebetsmühle und einen großen Stapel Entwürfe sowie eine englischsprachige Konstruktionsbeschreibung. Sie äußerten die Bitte, mit den Ingenieuren und Technikern vertraulich über die Patent- und Produktionsrechte an einer neuen religiösen Maschine verhandeln zu dürfen.
Im Beratungsraum wurden Tee und frittierte kleine Fleisch- und Fischstückchen nebst kleinen runden Broten serviert. Die Zuhörer staunten, als die finnischen Gäste ihre mitgebrachte Gebetsmühle einschalteten, die, während die Gesellschaft Tee schlürfte, einen Hindu-Gottesdienst vom Band spielte. Nach Ende der Aufnahme erkundigte sich der Chefingenieur, ob die Finnen generell ihre religiösen Angelegenheiten maschinell regelten. Kalle erklärte, dass dies keineswegs der Fall sei, sondern sich in Finnland die Gläubigen ein Mal pro Woche in den Kirchen versammelten, um den Predigten der Pastoren zu lauschen und fromme Lieder zu singen. In einigen religiösen Sekten sei allerdings der Gebrauch mechanischer Hilfsmittel erprobt worden. Man habe alte nachgebaute Hexentrommeln sowie, in kleineren Sekten, auch ein Harmonium mit Pedalen oder andere Musikinstrumente wie Geigen und Tamburins benutzt. Gebetsmaschinen wie der hier vorgestellte Apparat seien jedoch bisher in Finnland nicht mal probeweise zum Einsatz gekommen.
Die Bodenplatte der Gebetsmühle wurde geöffnet, und die Mechaniker und Ingenieure beugten sich über das Gerät. Kalle erklärte die Technik. Zum Erstaunen der Anwesenden vermochte die Mühle selbstständig verschiedene kurze Gebete auf Hindi und sogar indische Musik vom Band abzuspielen.
Kalle schaltete die Gebete bald wieder aus, denn der Chefingenieur war davon nicht sonderlich begeistert. Die Stimmung wurde ein wenig angespannt, während die finnischen Gäste die Konditionen erläuterten, zu denen sie der Werkstatt die Entwürfe und den Prototyp der Gebetsmühle überlassen würden. Kalle meinte, dass es der beste Beginn für eine Zusammenarbeit wäre, wenn man sich über die Höhe der Provision pro Mühle
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