Die Yoga-Kriegerin
mitgenommen wurde, als ich ein Jahr alt war, und dort hatte ich mein erstes Pferd gesehen. Ich soll darauf gezeigt und gesagt haben: »Will ha ben.« Ich war etwa sechs, als meine Mutter begann, mich zu einem Mietstall zu bringen, der ein paar Kilometer von zu Hause entfernt war. Ich bin mir nicht einmal sicher, warum sie mich dorthin brachte, wahrscheinlich nur, um mich loszuwerden.
Schon sehr bald wurde dieser heruntergekommene Mietstall, Azusa Canyon Stables , mein echtes Zuhause. Es war kein schicker Ort, nur ein Haufen Pferde, die man mieten konnte, und ein paar Bretterverschläge. Der Eigentümer, ein versiffter, beeindruckender griechischer Jude namens Nick Angelakos, war allerdings ein echt verrückter Mann. In jüngeren Jahren war er im Zirkus mit seinen Pferden durch Feuerringe gesprungen oder über eine alte Karre voll grinsender Fahrgäste. Er hatte überall in seinem Büro eingerahmte Fotos von seinen Zirkuseskapaden hängen, und ich konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Nick war ziemlich furchtlos, und er duldete keine Angst, weder bei Tieren noch bei Kindern. Ich war mindestens einen Kopf kleiner und fünf oder sechs Jahre jünger als all die anderen, die dort arbeiteten, aber er muss etwas in mir gesehen haben, was ich in mir noch nicht sehen konnte. Schon bald hatten wir eine Abmachung: Ich würde im Stall aushelfen, und er würde mir das Reiten beibringen. Die folgenden sechs Jahre tat ich alles, um bei den Pferden sein zu können: Ställe ausmisten, Reitgruppen führen und schließlich Pferde trainieren.
Bei der Arbeit mit diesen Pferden lernte ich sehr viel über den Um gang mit meinen Ängsten. Pferde sind alles andere als sanfte Wesen, sie schikanieren einander und sie schikanieren Menschen. Sie traten mir immer wieder auf die Füße, und ich wurde immer wieder von ihnen umgestoßen oder getreten. Da ich solch ein mickriger Wicht war, musste ich wirklich lernen, wie ich diese riesigen Tiere dazu bringen konnte, aufzupassen, und ihnen zu vermitteln: »Ich mag zwar klein sein, aber ihr solltet besser kapieren, dass ich hier bin.« Wenn sie sich aufbäumten oder versuchten, mich zu treten oder zu beißen, weigerte ich mich, mich einschüchtern zu lassen. Stattdessen starrte ich sie nieder, machte meinen winzigen Körper so groß wie möglich, hielt meine Stimme tief und bestimmt: »Oh nein, das tust du nicht. Du kommst jetzt mit mir.« Ich wurde zwar zigmal beinahe zertrampelt, aber die Angst davor, zertrampelt zu werden, hörte auf. Größe hat nichts damit zu tun, sich gegenüber jemandem zu behaupten. Ich begann damit, meine Macht zu entwickeln.
Ich erinnere mich an den Moment, in dem ich genau wusste, dass ich mein Verhältnis zur Angst verändert hatte. Meine Mutter und ich trugen ein schweres Möbelstück aus Holz den Hausflur entlang, als ich mein Ende versehentlich fallen ließ. »Satansbrut!«, schrie sie mich an. »Du Teufel!« Sie hob ihren Arm, um ihrer üblichen Routine nachzugehen. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich fast zwölf und von der Arbeit im Stall viel stärker. Ich hatte oft genug mit einer hal ben Tonne Pferdetemperament zu tun, sodass ich mir dachte: Das ist bloß ein Zweibeiner, und noch dazu ein fetter. An jenem Tag hob ich meine Hand und stoppte ihre Hammerschmiedfaust mitten im Schwung. Es gab keine Worte, nur uns beide, wie wir uns direkt in die Augen starrten, und die Erkenntnis: Das war’s. Die Angst hatte mich losgelassen und sie infiziert. Ich glaube, sie war genauso überrascht wie ich. Sie wehrte sich einen Moment lang und ließ dann ihren Arm fallen. Nach diesem Tag ließ sie mich mehr oder weniger in Ruhe.
Das war ein Wendepunkt für mich. Ich lernte, meine Haltung umzukehren – statt vor meiner Angst davonzulaufen, drehte ich mich um, verfolgte sie und machte sie zu meiner Verbündeten. Auf dem Schulhof forderte ich meine härteste Gegnerin heraus, ihr Bestes zu versuchen. Ich schrie sie vor ihrer versammelten Bande an: »Los, schlag mich!«, und brachte sie so dazu, nach und nach klein beizugeben. Ich weiß nicht, ob sie Angst hatte oder nur verwirrt war, aber von da an hielt sie sich von mir fern.
Ich war fertig damit, in Angst zu leben. Ich schwor mir, nie mehr das Opfer zu sein, sondern mich umzudrehen, meiner Angst zu begegnen und sie zu verfolgen. Seitdem lebe ich das genau so.
ANGSTTRAINING
Ich begann, absichtlich Dinge zu tun, die mir schreckliche Angst bereiteten; ich nannte es Angsttraining. Als Teenager hatte ich Angst davor, draußen in
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