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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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–35  Meter in ein Universum passen, das 50 Milliarden Lichtjahre als Ereignishorizont besitzt, also in einen „Würfel“ mit der „Kantenlänge“ von 100 Milliarden Lichtjahren. Weil 100 Milliarden Lichtjahre geringfügig weniger lang als 100 Milliarden mal 10 Billionen Kilometer, also 10 11  ×  10 13  × 10 3  Meter sind, das sind 10 11 + 13 + 3 = 10 27  Meter, ist das der Wahrnehmung zugängliche All in einem Volumen von 10 27 × 3 , also von 10 81  Kubikmeter enthalten. Der „Planck-Würfel“ mit einer „Kantenlänge“ von 10 –35  Meter hat 10 –35 × 3 , also 10 –105  Kubikmeter Rauminhalt. In das Universum passen folglich nicht mehr als 10 81 + 105 , das sind 10 186 „Planck-Würfel“, eine Untrigintillion: Auf die Ziffer 1 folgen sage und schreibe 186 Nullen. Das ist, wenn man so will, die moderne „Sandzahl“.
    Bei der Zeit kann man eine ähnliche Spielerei – mehr ist es in Wirklichkeit natürlich nicht – durchführen. Es gibt nicht nur eine Plancklänge, es gibt auch eine Planckzeit, die kleinste noch physikalisch sinnvolle Zeiteinheit, welche rund 5  ×  10 –44  Sekunden beträgt. Soweit wir wissen, ist das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden, in Sekunden umgerechnet ist diese Zeitspanne etwas kürzer als 5  ×  10 17  Sekunden. Somit passen in die bisherige Geschichte des Weltalls höchstens 10 17 + 44 , das sind 10 61 plancksche „Augenblicke“, zehn Dezillionen. Das ist erstaunlicherweise „nur“ ein Hundertstel der archimedischen Sandzahl.
    Sobald man mit Zahlenungetümen zu rechnen beginnt, wird man richtig unbescheiden …

Nicht Rechnen, Schätzen will gelernt sein
    Kehren wir noch einmal zu menschlichen Dimensionen zurück. Mit dem Alltag haben die astronomisch großen Zahlen zwar nichts zu tun, aber die Überlegungen, wie Archimedes und seine modernen Epigonen mit groben Schätzungen zu Zahlen gelangten, sind auch jenseits der Schnurren, in denen Dezillionen und Untrigintillionen vorkommen, von Interesse. Schon immer nämlich zeichnen sich kluge Köpfe dadurch aus, dass sie Größenordnungen gut zu überschlagen verstehen. Geradezu ein Magier des geschickten Schätzens war der aus Rom stammende und bis zu seinem frühen Tod 1954 in Chicago lehrende theoretische Physiker Enrico Fermi. Von ihm konnte man am eindrucksvollsten lernen, dass die Kunst bei der Anwendung von Mathematik nicht darin besteht, alles fehlerfrei zu berechnen, sondern vielmehr darin, die unvermeidlichen Fehler nicht zu groß werden zu lassen, sie jedenfalls sicher im Griff zu haben.
    „Wie viele Klavierstimmer gibt es wohl in Chicago?“, soll Fermi einmal einen verdutzten Studenten gefragt haben. Der hatte natürlich keine Ahnung. Aber Fermi wusste, wie man zur Antwort gelangt: Wenn Chicago vier Millionen Einwohner hat, ein Durchschnittshaushalt aus vier Personen besteht und jeder fünfte Haushalt ein Klavier besitzt, dann gibt es zweihunderttausend Klaviere in der Stadt. Wenn jedes Klavier alle vier Jahre gestimmt wird, müssen jährlich fünfzigtausend Klaviere gestimmt werden. Wenn ein Stimmer vier Klaviere pro Tag schafft, sind das bei 250 Arbeitstagen 1000 Klaviere pro Jahr pro Stimmer. Folglich gibt es in Chicago rund 50 Klavierstimmer.
    Der weltberühmte Wiener mathematische Physiker Walter Thirring beherrscht solche Rechnungen souverän. Als ihm einst als Schüler gesagt wurde, Alfred Wegeners Theorie, die Kontinente könnten wie Eisschollen auf der Erdoberfläche treiben, sei Unsinn, antwortete er, ihm käme das Bild eines Erdbebens in den Sinn, bei dem sich die Erde eine Handbreit auftut. Wenn sich irgendwo pro Jahr ein solches Beben ereignet, verschiebt sich die Erdkruste pro Jahr um zehn Zentimeter, in 100 Millionen Jahren daher um eine Milliarde Zentimeter, also um zehntausend Kilometer, da hat der Abstand zwischen Europa und Amerika bequem Platz. Damals ermahnten die Lehrer den jungen Thirring, solche Zahlenspielereien bleiben zu lassen. Heute ist die Kontinentaldrift das Dogma einer ganzen Wissenschaft.
    Das Faszinierende dieser Rechnungen ist, dass sie zwar alles andere als genau sind, aber gut die Größenordnung der gesuchten Antwort liefern – und all das ohne großen Informationsbedarf, allein gewonnen aus vernünftigen Argumenten. Das Schönste daran: Man kann die Rechnungen leger ohne technische Hilfsmittel meistern. Wie schwer das Wasser in einem Schwimmbecken ist, wie viel Müll ein Haushalt im Jahr wegwirft, aus wie vielen

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