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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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bedeutendsten Mathematiker Österreichs, vortrug. Was ich ihm erzählte und auf die Tafel in seinem Zimmer schrieb, war zwar neu, aber keine besonders tolle Angelegenheit. Sie gefiel Hlawka trotzdem recht gut, doch gleich, nachdem ich auf der Tafel fertig geschrieben hatte, wies er mich an, alles wieder zu löschen. Denn man könne nie wissen: Vielleicht käme nach mir jemand ins Zimmer, der mir diesen netten Gedanken raubt …

Zweiter zu sein zählt nicht
    Wie bitter der Streit um die Priorität einer Entdeckung ausgetragen werden kann, erlebte die mathematische Welt, als es darum ging, den Entdecker des „Kalküls“, wie man in alter Zeit die Infinitesimalrechnung nannte, ausfindig zu machen. Tatsächlich handelte es sich um eine grandiose Entdeckung:
    Der „Kalkül“ erlaubte, die Geschwindigkeiten von Bewegungen, und zwar auch ungleichmäßigen entlang krummer Kurven, auszurechnen. Mit dem „Kalkül“ findet man heraus, wie sich sogenannte dynamische Systeme entwickeln – so in der Astronomie das Planetensystem, in der Technik mechanische oder elektrische Schwingungen, in der Meteorologie die Luftströmungen der Atmosphäre, in der Ökonomie die Börsenkurse. Wie groß die Flächen sind, welche von Kurven eingeschlossen werden, wie groß die Volumina von Körpern sind, die krumme Oberflächen begrenzen: Der „Kalkül“ gibt darauf die Antwort.
    Wer jedoch entdeckte den „Kalkül“?
    Im England des 18. Jahrhunderts war die Antwort klar: es war Sir Isaac Newton, Britanniens größter Sohn. Der Einzige, den Gauß, wenn er von Mathematikern sprach, „clarissimus“, herausragend, nannte. Im Jahre 1666, als in England die Pest wütete und die Universität Cambridge ihre Pforten schloss, zog sich der damals 23-jährige Newton in sein Heimatdorf Woolsthorpe zurück. In diesem einen Jahr entwickelte er den „Kalkül“. Nachdem ihm, so erzählt Newtons größter Bewunderer, der französische Philosoph Voltaire, ein Apfel auf den Kopf gefallen war, er daraufhin den Blick zum Mond richtete und zur Überzeugung gelangte, dass die Bewegung fallender Äpfel, des Mondes und der Planeten einem einzigen mathematischen Gesetz zu gehorchen hätte. Einer Gleichung, die nur in der Sprache des „Kalküls“ formuliert werden kann.
    Doch Newton zögerte, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen. Er fürchtete panisch die Kritik seiner Kollegen in Cambridge. Vor allem jene Robert Hookes, eines kleinwüchsigen, eitlen, Newton seit jeher missgünstig gesinnten Gelehrten, den Newton aus tiefstem Herzen hasste. Jahrelang ruhten Newtons Aufzeichnungen im verschlossenen Schreibtisch. Nur Freunden gegenüber machte er dunkle Bemerkungen, dass ihm der mathematische Schlüssel zum Verständnis der Planetenbewegungen in die Hand gegeben sei, dass jedenfalls die Annahme seines Feindes Hooke, es seien Kräfte wie die einer gespannten Feder, welche die Planeten an die Sonne binde, völlig in die Irre führe.
    Sogar in den „Prinzipien der Naturphilosophie“, dem Buch, das Newton nach jahrelangem Drängen seines Verehrers, des Astronomen, Geophysikers und Kartographen Edmond Halley und erst, als die Neuvermessungen des Abstandes von der Erde zum Mond in Newtons Gleichungen eingesetzt zu einer völligen Übereinstimmung der mathematisch erhaltenen Resultate mit den Beobachtungen führten, zum Druck freigab, war der „Kalkül“ nur so weit erläutert worden, wie es Newton gerade benötigte.
    Denn Newton wusste nicht mit letzter mathematischer Sicherheit, warum der „Kalkül“ so gut funktioniert. Der „Kalkül“ liefert zwar raffinierte und elegante Verfahren zur Berechnung von Geschwindigkeiten oder von Flächen- und Rauminhalten, aber das Fundament, auf dem der „Kalkül“ gründet, war noch unerforscht.
    Umso befriedigter war Newton, dass die Öffentlichkeit, nicht nur die Kollegenschaft seiner Universität, sondern die gesamte internationale Forschergemeinde, ja sogar das an der aufkommenden Naturwissenschaft interessierte Laienpublikum sein Buch über die Prinzipien der Naturphilosophie als Meilenstein einer neuen Ära anerkannte. Er erwarb den Adelstitel, wurde Präsident der Royal Society, der ehrbarsten wissenschaftlichen Gesellschaft der Welt – als der er unter anderem dafür sorgte, dass alle Gemälde seines verhassten Kollegen Hooke, derer er habhaft werden konnte, vernichtet wurden. Als man Newton einmal fragte, wie es ihm gelungen sei, die Mathematik des Planetensystems, ja der gesamten Mechanik zu entdecken,

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