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Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Die Wildkirsche. Erotischer Roman

Titel: Die Wildkirsche. Erotischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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1. KAPITEL
    Frankreich, 1753
    Doktor Gabriel Beaumont war ein ernster, aber gütiger Mann. Er liebte das Leben in der kleinen Stadt Gagnion nahe Paris, die Schlichtheit ihrer Bürger und ihre Freundlichkeit. Mit Vorliebe trug er edle Röcke, er puderte seine Perücke und rauchte ab und an eine Pfeife mit amerikanischem Virgin Tabak, für den er auf dem Markt einiges Geld zahlte. Die Abende verbrachte er gern mit seinem Freund, dem Winzer Giffard, bei einem gemütlichen Schachspiel. Ihre längste Partie, so verkündeten sie jedem, der es wissen wollte, habe ein Vierteljahr gedauert. Fragte man sie, wie das Spiel geendet hatte, erklärten sie zerknirscht: »Mit einem Remis« – was beiden nicht so recht gefallen mochte.
    Der Doktor betreute seine Patienten sehr gewissenhaft. Er machte regelmäßige Hausbesuche und war für seine Fürsorglichkeit in der ganzen Stadt beliebt. Ebenso gern wie den Kranken widmete er sich den Kindern, die tagein tagaus in den Gassen spielten und sich die Zeit mit allerlei Schabernack vertrieben. Sie jagten streunende Katzen oder bewarfen die Mädchen aus dem vornehmen Nachbarhaus mit Kieselsteinen, wenn sie sich am Fenster blicken ließen. Beaumont studierte ihr Verhalten mit großer Leidenschaft. Seine Schriften füllten mehrere Bücher, und jede noch so kleine Beobachtung wurde akribisch notiert, denn Kinder hatten einen besonderen Platz in seinem Herzen. Es war immer sein Wunsch gewesen, eine Schule zu errichten, um Knaben und auch Mädchen aus armen Verhältnissen Bildung zu ermöglichen. An manchen Tagen lud er sie in sein Haus, wo er eigens für seine kleinen Gäste ein Spielzimmer eingerichtet hatte, und unterrichtete sie dort. Lesen, Rechnen, Schreiben.
    Dies aber ist längst nicht alles, was sich über Gabriel Beaumont sagen ließe. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte er in Paris – der Stadt der Eitelkeiten, wie Beaumont sie gern nannte – Yvonne Delarc lieben gelernt. Er hatte sie mit Geschenken überhäuft und ihr Pelze und prachtvolle Kleider gekauft. Sie hatte sich mit Bescheidenheit und Fürsorglichkeit bedankt. Es war eine Liebe gewesen, wie man sie nur einmal im Leben fand. Doch das Glück hatte nicht lange gewährt. Fünf Jahre nach der Hochzeit und der Geburt der gemeinsamen Tochter war Yvonne an einer rätselhaften Krankheit verstorben. Von Gewissensbissen geplagt und in dem festen Glauben, als Arzt versagt zu haben, war Beaumont der Alkoholsucht verfallen. Von diesem Tag an hatte man ihn bereits am frühen Morgen betrunken gesehen. Zuerst hatten sich die Patienten von ihm losgesagt, bald darauf seine Freunde. Ohne seine Haushälterin Amelie hätte er seine Tochter Lorraine niemals aufziehen können.
    Schließlich hatte Beaumont beschlossen, der Stadt den Rücken zu kehren, weil ihn die Leute nach seinem Absturz in die Welt des Alkohols nicht mehr kennen wollten. In den Pariser Straßen und Cafés hatte er gelernt, die Oberflächlichkeit zu verabscheuen, die hier zum Leben gehörte wie das Atmen. Beaumont wusste, dass Paris auch heute noch dasselbe Gesicht hatte. Jeder war nur auf seinen Vorteil bedacht, jeder eiferte den hohen Herren und Damen nach. Und das Vergnügen – es stand bei allem im Vordergrund. Auf Bettler wurde gespuckt, an anderer Stelle das Geld zum Fenster hinausgeworfen. Er war froh, dieser Verlogenheit entronnen zu sein. Auch vom Alkohol war er losgekommen und hatte nicht nur seinen Frieden mit sich selbst gefunden. Er hatte auch seine Arbeit wieder aufgenommen – hier, in dem ruhigen Städtchen Gagnion.
    Seit einigen Tagen wurde seine geliebte Ruhe jedoch empfindlich gestört, denn die Aufbauten für den Jahrmarkt hatten begonnen. Beaumont hielt wenig von solchen Ereignissen, da es die Menschen nicht allein wegen der exotischen Waren zum Markt zog, sondern vor allem wegen der Kuriositätenschauen. In Paris hatte er das Leid einer bärtigen Dame gesehen. Jahre später hatten die selben Betreiber zwei Männer vorgeführt, die am Unterleib zusammengewachsen waren. Noch heute lief ihm ein Schauer über den Rücken, wenn er an diese armseligen Kreaturen zurückdachte, die nicht nur ein grausames Schicksal, sondern auch den Hohn und Spott der Zuschauer hatten ertragen müssen.
    Als das Wochenende näher rückte und das Treiben in den Straßen auf ein unerträgliches Maß anschwoll, hätte sich Beaumont am liebsten in sein Arbeitszimmer eingeschlossen und in seine Schriften vertieft. Doch es war ausgerechnet Beaumonts Freund, der Winzer Serge Giffard, der

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