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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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Punkte einsticht, ihn so weit öffnet, dass er bis zum zweiten der beiden Punkte gespannt ist, und danach den Kreis mit dem ersten Punkt als Mittelpunkt zieht, der durch den zweiten der beiden Punkte verläuft.
    Wie aber konstruiert man zu einem gegebenen Kreis jenes Quadrat, dessen Flächeninhalt mit dem des Kreises übereinstimmt? Dies ist die berühmte Frage nach der „Quadratur des Kreises“, die so gerne als Metapher herhalten muss.
    Hilbert „löst“ die Quadratur des Kreises, indem er dieses Problem unter zwei Gesichtspunkten betrachtet.
    Einerseits unter dem Gesichtspunkt der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel. Hier kann Hilbert auf eine Arbeit seines ehemaligen Königsberger Lehrers und ab 1893 in München wirkenden Professors Ferdinand von Lindemann verweisen, der ein für alle Mal bewiesen hatte:
    Mit Zirkel und Lineal allein kann die exakte Quadratur des Kreises nie gelingen.
    Der Satz von Lindemann widerspricht, trotz seiner negativen Aussage, ganz und gar nicht der Losung Hilberts, dass die Mathematik kein „Ignorabimus“ akzeptiert. Dieser Satz teilt uns vielmehr ein Wissen mit, nämlich das Wissen darüber, dass etwas sicher unmöglich ist. Genauso unmöglich, wie dass fünf eine gerade Zahl ist.
    Andererseits aber betrachtet Hilbert die Quadratur des Kreises unter dem Gesichtspunkt der Objekte „Kreis“ und „Quadrat“ als solche. So betrachtet ist es naheliegend, dass es zu jedem Kreis ein flächengleiches Quadrat gibt. Schon 1685 hatte der polnische Mathematiker Adam Kochanski eine sehr raffinierte Konstruktion allein mit Zirkel und Lineal als Hilfsmittel erfunden, die aus dem Kreis ein fast flächengleiches Quadrat bildet: Die Dicke des Bleistifts, die Rauheit des Papiers, die Unschärfe des menschlichen Augenlichts lassen es nicht zu, den Unterschied zwischen dem von Kochanski konstruierten Quadrat und dem exakten Quadrat wahrzunehmen – so nahe kommt Kochanski mit seiner Konstruktion dem Ideal – das es geben muss, so lautet der naheliegende Schluss. Auch wenn Kochanski es nicht in letzter Exaktheit zu zeichnen vermochte. Wenigstens in Gedanken existiert es.
    Dies ist die entscheidende Idee, die Hilbert bewegt: Die Objekte der Geometrie sind nicht in ihrer sinnlichen Erfassung vorhanden, sie sind deshalb manifest, weil wir sie zu denken vermögen. Das sinnliche Bild auf dem Zeichenpapier ist bloß ein Abglanz. Ähnlich dachte bereits Platon: Nicht das auf dem Papier konstruierte, sondern das im Gedanken gebildete Dreieck ist das „wahre“ Dreieck. Denn nur das gedachte Dreieck kann mit seinem Ideal übereinstimmen.
    Darum schneiden einander zwei Geraden, die nicht parallel sind, auch dann, wenn das Blatt Papier zu klein ist, um den Schnittpunkt zeigen zu können. Denn in Gedanken existiert er. Und was ist mit parallelen Geraden? Darf man auch bei ihnen von einem Schnittpunkt sprechen? Augenscheinlich ist er sicher nicht, denn wenn es ihn gibt, dann liegt er im Unendlichen. Doch ist es erlaubt, den Schnittpunkt paralleler Geraden im Unendlichen zu denken? Wie denkt man das Unendliche?
    Überlegungen und Fragen dieser Art veranlassten Hilbert, die Denkgesetze der Geometrie systematisch zu ordnen. Er verfuhr dabei ähnlich wie einst Euklid vor mehr als zwei Jahrtausenden: An die Spitze seiner Geometrie stellte Hilbert „Axiome“, Behauptungen, die uneingeschränkt zu akzeptieren sind, wenn man Geometrie betreiben will. So lautet das erste in der Liste seiner zwanzig Axiome: „Zwei voneinander verschiedene Punkte bestimmen stets eine Gerade, auf der sie liegen.“ Gleich darauf folgt als zweites Axiom: „Irgend zwei voneinander verschiedene Punkte einer Geraden bestimmen diese Gerade.“ Und als drittes Axiom formuliert Hilbert die Behauptung: „Auf einer Geraden gibt es stets wenigstens zwei Punkte, in einer Ebene gibt es stets wenigstens drei nicht auf einer Geraden gelegene Punkte.“
    Bei jedem der Axiome Hilberts zeigt eine grobe Skizze, dass hier ein augenscheinlich wahrer Sachverhalt mitgeteilt wird – mancher von ihnen so banal, dass man sich fragt, warum so etwas Vordergründiges überhaupt einer Erwähnung bedarf. Hilberts Antwort darauf lautet: Man solle sich nicht durch den sinnlichen Eindruck verführen lassen! In der Geometrie, wie Hilbert sie sieht, spielt der manifeste Sinneseindruck nur eine begleitende, keinesfalls aber eine bestimmende Rolle. Bei geometrischen Behauptungen wird der Beweis einzig und allein dadurch geführt, dass eine logische

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