Die Zarentochter
Krönchen geschmückt gewesen. Olly hingegen trug ein funkelndes Brillantdiadem, welches aus dem Besitz Katharinas der Großen stammte. Weder ihre Mutter noch Cerise oder sie hatten dieses prachtvolle Schmuckstück je tragen dürfen.
Auch ihr Brautschatz konnte bei weitem nicht mit dem von Olly mithalten. Neidisch dachte Mary an die riesige Malachitschale, die Olly von ihrem Onkel Michael bekommen hatte. Eine solche Schale würde ihren Salon auch bestens zieren! Wenn sie sich richtig erinnerte, hatte sie von Großfürst Michael einst lediglich ein dreiteiliges silbernes Toilettenbesteck bekommen.
Wie bei allen Zarentöchtern üblich, würde Ollys Aussteuer nächste Woche öffentlich ausgestellt werden. Mary verzog den Mund. Sie sah im Geiste schon jetzt die feine Petersburger Gesellschaft vor sich, wie sie mit vor Ehrfurcht offenen Mündern Ollys prachtvollen Brautschatz bestaunte und mit dem der ältesten Zarentochter verglich, der einst wesentlich bescheidener ausgefallen war. Nicht, dass jemand ihr gegenüber diese Unterschiede ansprechen würde – vielmehr würden sie sich hinter ihrem Rücken die Mäuler zerreißen.
Ihre Hochzeitsfeierlichkeiten hatten damals nur zwei Tage gedauert. Wahrscheinlich hatte sie alles mit dem verklärten Blick der Liebe gesehen und schön empfunden. Im Nachhinein kam es ihr jedoch geradezu ärmlich vor.
Ollys und Karls Fest würde eine ganze Woche dauern. Als Höhepunkt hatte ihr Vater ein riesiges Feuerwerk geplant. Die Wasserfälle, die Gebäude, der See, die Anpflanzungen – der ganze Park von Peterhof und der Uferbereich des Meeres noch dazu sollten illuminiert werden. Vater hatte etwas von »bengalischen Feuern« erzählt – unter strengster Geheimhaltung natürlich – und vielen weiteren technischenRaffinessen. Damit die Aufbauten rechtzeitig fertig wurden und alle Feuer gleichzeitig gezündet werden konnten, hatte er die ganze Flotte mit viertausend Matrosen aus Kronstadt kommen lassen. Was für ein Aufwand … Aber für Olly war ja das Beste gerade gut genug. Schließlich hatte sie den zukünftigen König von Württemberg geheiratet. Wohingegen sie …
»Wollen wir tanzen, meine Liebe?«
Mary schaute ihren Gatten an. Immerhin war Max ein besserer Tänzer als der hochwohlgeborene Kronprinz.
»Sehr gern«, sagte sie lächelnd.
»Jetzt dauert es nicht mehr lange und Olly verlässt uns. Ob nicht doch ich derjenige sein sollte, der sie nach Württemberg begleitet? Vielleicht ist Kosty für diese Aufgabe noch ein wenig zu jung.«
Sascha mit nach Württemberg? Und sie wochenlang allein in St. Petersburg? Resolut schüttelte Cerise den Kopf.
»Dein Bruder platzt beinahe vor Stolz, dass dein Vater ihn ausgewählt hat. Du kannst ihm diese Freude nicht nehmen. Außerdem – der Zar braucht dich an seiner Seite.«
»Du hast ja recht«, sagte Sascha mit hängendem Kopf. »Es ist nur … Ich vermisse Olly jetzt schon. Die Gespräche mit ihr. Ihre Vorstellungskraft, wenn es um Neuerungen geht. Die Art, wie sie mir immer so offen ihre Meinung sagt, ganz gleich, ob ich sie hören will oder nicht. Ihr Mitgefühl für die Armen und Schwachen, die unsereins so gern übersieht …«
Cerise runzelte die Stirn. »Du tust gerade so, als würde Ollys Fortgehen dich in tiefe Einsamkeit stürzen. Sie ist ja nicht vollends aus der Welt. Und außerdem hast du noch mich. Von jetzt an können wir uns öfter unterhalten, das ist doch auch schön.«
»Gewiss«, sagte Sascha unlustig.
»Also wirklich, du könntest dich ruhig ein wenig für deine Schwester freuen, andere Leute bemühen sich auch, dies zu tun«, sagte sie vorwurfsvoll. Ihr Blick ging dabei in Richtung ihres Bruders, der zusammen mit Julia von Haucke und anderen Hofdamen an einem der äußeren Tische saß. Wie laut Alexander lachte! Wie übertrieben fröhlicher sein Weinglas schwenkte. Dabei wusste sie, dass ihm viel eher nach Heulen zumute war.
Er war sich so sicher gewesen, Olly bei seinem Besuch in Salzburg umstimmen zu können. Als er unverrichteter Dinge nach Hause kam, hatte sie ihm jedes Wort aus der Nase ziehen müssen. Olly sei kalt wie Eis gewesen, ihr Herz, das einst so heftig für ihn geschlagen hatte, sei heutzutage versteinert, hatte er gemeint und hinzugefügt, dass er sich das alles nicht erklären könne.
Armer Alexander! Nun musste er mit ansehen, wie ein anderer seine große Liebe zum Altar führte. Ein zukünftiger König noch dazu. Kein Habenichts wie er. Hoffentlich würde er vor lauter Verzweiflung
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