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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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wäre sie eingenickt, reden sie über sie.
    Â»Die arme Sophie. So schwach, eigentlich noch ein Kind.
Wenn man vierzehn ist, sagen sie einem, man ist eine Frau, aber das stimmt nicht.«
    Â»Heiraten unter hohen Herrschaften sind nichts anderes als Tauschgeschäfte, und in diesem Fall, fürchte ich, macht Russland ein schlechtes Geschäft. … Ihr loses Mundwerk wird sie teuer zu stehen kommen … Schmeicheleien sind wie Wodka: So ein Schwips mag angenehm sein, aber man kann nicht mehr klar denken … Sie ist nicht die Erste, der es so ergeht, und sie wird nicht die Letzte sein …«
    Sie hält die Augen geschlossen und atmet ruhig und tief, während sie lauscht.
    Â»Wie leicht unterlaufen einem grobe Fehler, und wie schwer ist es, sie zu vertuschen. Vor den Dienstboten kann man nichts geheim halten. Man ist hier niemals allein.«
    Â»Die Kaiserin will sie? Aber die Kaiserin ist launenhaft. Es braucht nicht viel, um sie umzustimmen.«
    Sie machen sich über Maman lustig, imitieren ihre hochmütigen Reden, die immer darauf hinauslaufen, dass in Deutschland alles besser ist. Ach, so etwas Großartiges wie Pumpernickel und Linzer Torte und die Statue des Milchmädchens in Zerbst sucht man in Russland vergebens!
    Sie schütteln schadenfroh ihre Köpfe. Wie kann man nur so dumm sein und sich so um Kopf um Kragen reden! Spottet über Herrschaften, die weit über ihr stehen. Zeigt mit dem Finger auf Unvollkommenheiten der Kaiserin. Das ist glatter Selbstmord – genauso gut könnte sie sich die Pulsadern aufschneiden.
    Wie verblendet muss man sein, um bösartigen Klatsch auch noch zu Papier zu bringen? Sie versteckt ihre Aufzeichnungen in ihrem eigenen Schlafzimmer, wo jeder Spion sie ohne Mühe findet.
    Arme Sophie. So eifrig darauf bedacht zu gefallen.
    Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass ein Kind für die Sünden der Mutter büßen muss.
    Â 
    Â»Schluss damit, verschwinde«, schreit Maman das Mädchen an, das frisches Eis bringt, um Sophies fiebrige Wangen damit zu kühlen. Alles ärgert sie, die weichen russischen Decken, die Überzüge aus Samt, die Silberfuchspelze, die vergoldeten Türrahmen, das silberne Becken. »Und ab sofort auch kein russisches Essen mehr!« Sie wird ihrer Tochter einfache, gesunde Kost geben. Gekochtes Rindfleisch. Brot in Suppe und Rotwein. Ein halbes Glas Dünnbier, mit einem Löffel Honig gesüßt, gegen den Durst.
    Die Mädchen stieben auseinander wie Kaninchen vor einem galoppierenden Pferd, wenn sie auftaucht. »Ihre Dienste werden nicht mehr gebraucht«, hat sie dem Hofmedicus ausrichten lassen. Fürstin Johanna von Anhalt-Zerbst lässt sich nicht länger für dumm verkaufen.
    Â»Du bist gar nicht krank, Sophie«, faucht sie. »Du willst dich nur wichtig machen. Ich habe dich durchschaut.«
    Â 
    Â»Meiner Tochter geht es gut«, sagt Maman, als der Doktor kommt. »Sie ist einfach erschöpft, nicht, Sophie?«
    Der Arzt trägt eng anliegende seidene Handschuhe, die er feierlich langsam abstreift. Er hat einen kurzen Blick auf den Inhalt des Nachttopfs geworfen, und seine Nase sagt ihm, dass Sophie sich erbrochen hat. Jetzt betastet er ihre Zunge und die Schleimhäute ihrer Lippen. Seine Finger schmecken bitter.
    Â»Bitte, Madame, lassen Sie mich die Patientin untersuchen.«
    Er betrachtet die Haut am Hals und an den Armen und tastet die Lymphknoten ab. »Keine Anzeichen von Pocken«, verkündet er erleichtert. Junge Frauen, erklärt er Maman nachsichtig, haben eine zarte, etwas labile Konstitution. Das Gleichgewicht der Körpersäfte kann leicht kippen.
    Ein Einlauf wird dafür sorgen, dass der Verdauungstrakt von Schadstoffen gereinigt wird. Ein Gebräu, das er »Essig der sieben Diebe« nennt und das, wenn man es in die Haut einmas
siert, den Blutfluss beschleunigt. Venezianischer Theriak zur Kräftigung.
    Sicher hat die Fürstin an diesen Heilmitteln nichts auszusetzen. Erfreut kann er feststellen, dass er damit recht hat.
    Â 
    Spärliches Licht sickert durch die Vorhänge, die den Zug abhalten sollen. In einen dicken Morgenmantel gehüllt, sitzt Sophie auf einer Chaiselongue, eine Pelzdecke über den Füßen.
    Peter ist nicht gekommen, aber er hat ein Mädchen geschickt.
    Sie ist großgewachsen und mager. Ihr Haar ist unter einer Spitzenhaube verborgen, aber ihr Blick wirkt

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