Die Zauberer 01 - Die Zauberer
und dem ausgelassenen Gelächter, das vom Dorfplatz her drang, und Granock, der den ganzen Tag über gewandert und bis auf die Knochen durchgefroren war, hatte das dringende Bedürfnis verspürt, sich ein wenig auszuruhen. Vielleicht, so sagte er sich, bekam er am Rande ja auch etwas vom Lichtfest mit.
Den ganzen Tag über hatte es geschneit, sodass die Dächer der Hütten von dickem Weiß bedeckt waren. Auch in den schmalen Straßen und Gassen lag Schnee, der niedergetreten war und Granocks Schritte dämpfte. Vor Kurzem jedoch hatte der Schneefall ausgesetzt, und die dichte Wolkendecke war aufgerissen, sodass sich ein glitzerndes Sternenmeer über den Häusern spannte, in das die aufsteigende Glut des Feuers rote und gelbe Funken mischte. Die Luft war klirrend kalt, dabei aber trocken, sodass die Nacht wie geschaffen war, sich um das Feuer zu versammeln und ein Freudenfest zu begehen.
Jedenfalls für jene, die eingeladen waren ...
Dass Granock nicht dazu gehörte, war unübersehbar. Anders als die Dorfbewohner, die bunte Festtagskleidung angelegt hatten, trug er einen alten wollenen Umhang und dazu den Sack über der Schulter, in dem er seine wenige Habe mit sich führte. Sein dunkles Haar war lang und ungepflegt und hing ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht, und seine schäbigen Stiefel verrieten, dass er in ihnen schon viele Meilen zurückgelegt hatte. Kurz, es war unschwer festzustellen, dass er als Landstreicher umherzog, und entsprechend missliebig waren die Blicke, die er auf sich lenkte.
Dennoch ließ er sich nicht beirren. Er war es gewohnt, angestarrt zu werden. Fremdenfeindlichkeit gehörte zu den hervorstechendsten Eigenschaften der Siedler, die die Westlande bewohnten, und natürlich entbehrte sie nicht einer gewissen Grundlage: Marodierende Orks und diebische Zwerge, aber auch Menschen, die sich als Räuber, Betrüger und Plünderer betätigten, waren in dieser Gegend eher die Regel als die Ausnahme.
Granock wusste das, insofern hatte er Verständnis für die vorsichtigen und argwöhnischen, ablehnenden und mitunter auch feindseligen Blicke, die ihm begegneten, als er den Dorfplatz erreichte. Die Feier hatte bereits begonnen. Eine Gruppe Flötenspieler hatte Aufstellung genommen und spielte einen fröhlichen Reigen, zu dem junge Männer und Frauen um das Feuer tanzten, während die Älteren beisammenstanden und sich lachend und scherzend unterhielten. Unter einem verschneiten Baldachin wurde über glühenden Kohlen ein Spanferkel geröstet, an einem Stand Gewürzbrot und allerhand süßes Zeug verkauft, dessen verlockender Geruch die kalte Luft tränkte. Granock merkte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief, und er trat auf den Verkaufsstand zu, hinter dem eine dicke Westländerin stand. Unter der spitzenverzierten Haube, die auf ihrem runden Kopf ruhte, lugten kleine Äuglein hervor, die sich missbilligend verengten, als sie den Fremden näher kommen sahen.
»Ein frohes Lichtfest, von ganzem Herzen«, entbot Granock freundlich den üblichen Gruß. »Sagt, ist es Euer Gewürzbrot, das da so köstlich duftet?« Die Siedlerin antwortete nicht. Dafür fielen ihre vollen Wangen in unverhohlener Ablehnung herab.
»Bitte ein großes Stück«, verlangte Granock und griff in seinen Beutel, um das Geld hervorzuholen.
»Nein«, sagte die Siedlerin nur.
»Nein?« Granock hob die Brauen. »Ich verstehe nicht...«
»Es ist nicht genügend Gewürzbrot da«, schnarrte die Siedlerin im den Westländern eigenen Dialekt.
»Nicht genug da?« Granock deutete auf den riesigen Berg kleiner und großer, mit Nüssen oder Rosinen gespickter Brote, die sich auf dem Tisch häuften. »Aber da sind doch so viele ...«
»Du hast sie gehört«, sagte plötzlich jemand so dicht neben ihm, dass er zusammenfuhr. Vier Männer aus dem Dorf, allesamt grobschlächtige Naturen mit tellergroßen Pranken, waren herangetreten, die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Es sind nicht genügend Brote.«
»A-aber ich kann bezahlen«, versicherte Granock und zog die Hand aus der Tasche, die voller Kupfermünzen war, die er auch vorzeigte. »Gutes Geld, sundarilische Prägung ...«
»Wir wollen dein Geld nicht«, stellte der Wortführer klar. »Also pack es wieder ein und verschwinde, ehe wir dich aus dem Dorf prügeln!« »Ihr wollt mich vertreiben? Aber ich habe niemandem etwas getan ...« »Geh«, beharrte ein anderer der vier, ein Mann mit bärtigem, grimmigem Gesicht. »In unserem Dorf ist kein Platz für Landstreicher und anderes
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