Die Zauberer 01 - Die Zauberer
von den Anfechtungen, denen sich ein Zauberer ausgesetzt sieht, von den Verlockungen des Bösen, denen er widerstehen muss. Je gefährlicher die Gabe, desto größer ist die Versuchung. Das gilt für alle Novizen, Aldur, aber ganz besonders für dich.«
»Warum, nahad?«
»Weil...« Alduran unterbrach sich und biss sich auf die Lippen. »Das genügt«, entschied er kurzerhand. »Ich habe dir ohnehin schon zu viel gesagt.« »Hat es ... etwas mit der Vergangenheit zu tun?«, fragte Aldur vorsichtig. »Mit meiner ... Mutter?« Das letzte Wort hatte er nur noch flüsternd gesprochen und mit furchtsam verkniffenen Augen - zu Recht, wie sich zeigte. »Was fällt dir ein?«, fuhr Alduran ihn an, dass selbst die Diener, die sich am Rand der Lichtung aufhielten, erschrocken zusammenfuhren. »Was fällt dir ein, nach ihr zu fragen? Habe ich dir nicht gesagt, dass ich nicht über sie sprechen will?«
»D-doch, nahad. Ich dachte nur ...«
»Hör mir zu«, sagte Alduran beschwörend, packte seinen Sohn bei den Schultern und drehte ihn so, dass er ihm direkt in die Augen schaute. »Es hat nichts mit ihr zu tun. Deine Mutter weilt nicht mehr unter uns, schon seit vielen Jahren, und dabei wollen wir es belassen. Deine Zukunft, Aldur, liegt wie ein unbeschriebenes Blatt vor dir, und ich will sichergehen, dass du den rechten Weg einschlägst. Ich werde alles daransetzen, dass du eines Tages in Shakara aufgenommen wirst. Und dann wirst du unserem Namen Ehre machen, hast du verstanden?«
»Ja, nahad ...«
»Die Erwartungen, die an dich gestellt werden, sind hoch, aber ich bezweifle nicht, dass du ihnen gerecht werden wirst. Wage es niemals, unserer Familie Unehre zu machen, oder ich schwöre bei allen rhegai, dass ich dich als meinen Nachkommen verleugnen werde. In dir ruht die Kraft, der beste und mächtigste Zauberer von allen zu werden - dies und nicht weniger erwarte ich von dir, diesem Ziel hast du dein Leben zu weihen. Hast du verstanden?« Aldurs Zögern währte nur einen unmerklichen Augenblick.
»Ja, nahad«, sagte er dann.
Granock konnte es kaum glauben - wieder war ein Jahr vorüber. Der Winter war gekommen, Schnee bedeckte das Land. Und wie immer, wenn die Tage kurz wurden und die Nächte lang, begingen die Menschen Erdwelts jenes Fest, an dem sie ihrer Familie und ihrer Freunde gedachten: das Lichtfest.
Als kleiner Junge hatte Granock es lustig gefunden, sich in den Straßen der Dörfer und Städte herumzutreiben, durch die Scheiben der Fachwerkhäuser zu blicken und den Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihre Stuben schmückten und Speisen zubereiteten, wie sie gemeinsam sangen und sich beschenkten. Doch je älter er geworden war, desto deutlicher war ihm aufgegangen, dass er nie dabei war, wenn sie den Braten anschnitten und die Geschenke verteilten, wenn sie Punsch tranken und einander in den Armen lagen und sich ihrer gegenseitigen Liebe versicherten.
Denn das Lichtfest begingen nur jene, die eine Familie hatten oder andere Menschen, die ihnen etwas bedeuteten.
Granock jedoch war allein ...
Als Junge hatte man ihm hin und wieder noch eine Zuckerstange oder ein Stück Gewürzbrot zugeworfen, das er dann heißhungrig verschlungen hatte. Dabei hatte er sich vorzustellen versucht, wie es sein musste, ein Heim zu haben und eine Familie, Menschen, die für ihn da waren. Rückblickend waren das schöne Lichtfeste gewesen, aber mit den Jahren hatte seine Freude daran nachgelassen.
Aus dem Knaben war ein Heranwachsender geworden, der nichts mehr geschenkt bekam und den die Leute nicht mal auf den öffentlichen Plätzen haben wollten, wo Freudenfeuer entzündet und ausgelassen gesungen und getanzt wurde. Sie schlossen ihn aus und mieden ihn, was ihm stets aufs Neue vor Augen führte, wie anders er war ...
Und wie einsam.
Das ganze restliche Jahr über konnte er ganz gut damit leben, und er tröstete sich damit, dass er eine Fähigkeit besaß, die kein anderer Mensch außer ihm hatte. In den Tagen des Lichtfests jedoch wurde ihm schmerzlich bewusst, wie sehr er sich insgeheim nach menschlicher Nähe sehnte, nach Freundschaft und Geborgenheit, nach der Familie, die er nie gehabt hatte - und diese Sehnsucht war es, die ihn Jahr für Jahr die Gesellschaft der Menschen suchen ließ, um zumindest einen Hauch der Freude und der Nähe zu empfinden, die sie einander schenkten.
Den Namen des Dorfes kannte er nicht einmal.
Der Duft von Braten und von frischem Gewürzbrot hatte ihn angelockt, zusammen mit dem Flötenspiel
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