Die Zauberer 01 - Die Zauberer
gegangen.
Indem sie die Kristallpforte durchschritten, waren Palgyr und seine Begleiter auf schnellstem Wege nach Tirgas Lan gelangt. Dort hatten sie keine Zeit verloren und zu Pferd ihren Weg nach Südosten fortgesetzt, der fernen Grenze entgegen, wo zwei Ordensmitglieder in Not waren und - wenn man Vater Semias' Ahnung trauen durfte - der weise Cethegar sein Leben gelassen hatte. Was aus den Novizen geworden war, die ihre Meister auf der Reise begleiteten, wusste niemand, und es war Palgyr auch gleichgültig.
Sehr viel wichtiger waren ihm seine eigenen Pläne - und diese entwickelten sich zu seiner vollsten Zufriedenheit. Lange genug hatte er die Maske eines loyalen Mitglieds des Rates getragen, lange genug sich als jemand ausgegeben, dem die Werte und Prinzipien des Ordens über alles gingen, während er sie in Wirklichkeit lieber heute als morgen allesamt für erloschen erklärt hätte. Er hasste die Rolle, in die er hatte schlüpfen müssen, um seine wahren Absichten und Ziele zu verbergen - aber der Tag war nicht mehr fern, an dem er der Welt sein wahres Gesicht präsentieren konnte.
Der Tag der Befreiung.
Der Tag der Rückkehr ...
In den vergangenen Jahren hatte Palgyr auf diesen Tag hingearbeitet. Er hatte im Stillen geplant und vorbereitet, hatte den Schein gewahrt, um sich nicht verdächtig zu machen. Er war im Auftrag des Rates als offizieller Gesandter am Hof von Tirgas Lan gewesen, aber in Wahrheit hatte er dort seine eigene Diplomatie betrieben. Er hatte nach außen hin die Traditionen gewahrt, während er in Wirklichkeit an ihrer Auflösung gearbeitet hatte. Er hatte jene verdammt, die von althergebrachten Regeln abwichen, während er selbst sie alle gebrochen hatte. Er hatte Wissen gesammelt und Dinge gesehen, die, wenn es nach der Auffassung des Rates ging, kein Zauberer je erfahren durfte. Er hatte Wasser gepredigt und Nektar gesoffen, und er hatte kübelweise Kreide gefressen, wenn er sich bei den langweiligen, trägen Idioten angebiedert hatte, die sich Ratsmitglieder schimpften.
Nun jedoch nahte der Augenblick, da er die Belohnung erhalten würde für all das. Er konnte es kaum erwarten, die Maske der Täuschung abzulegen und seine wahren Absichten zu offenbaren - und er war erpicht darauf, die dämlichen Gesichter seiner Feinde zu sehen ...
»Werden sie kommen?«, erkundigte sich Labhras besorgt. Der feiste Zauberer, auf dessen kahlem, schweißnassem Schädel eine dreieckige Tätowierung glänzte, saß im Schatten einer mächtigen Eiche. Nicht weit von ihm hockte Sgruthgan auf einem Felsen und blickte nicht weniger argwöhnisch drein als sein fetter Kumpan. »Wir riskieren viel dieses Mal«, gab er zu bedenken. »Wenn auch nur einer von ihnen zurückkehrt oder ...«
»Keiner von ihnen wird zurückkehren«, war Palgyr überzeugt. »Habt ihr nicht gehört, was geschehen ist? Sogar der ach so mächtige Cethegar hat sein Leben lassen müssen. Das sollte selbst einem Feigling wie dir einige Sicherheit geben.«
»Ich bin kein Feigling«, verteidigte sich Sgruthgan. »Aber ich verspüre auch kein Verlangen danach, die Abgründe von Borkovor unmittelbar kennenzulernen.«
»Das wirst du nicht«, versicherte Palgyr. »Mein Plan berücksichtigt jede Eventualität. Wir sind unseren Feinden stets einen Schritt voraus, und sie tun genau das, wozu wir sie ...«
»Achtung!«, zischte Labhras. »Der Unhold kommt zurück!«
Palgyr verzog das Gesicht. Er hielt es für nicht notwendig, eines Primitiven wegen in seiner Rede innezuhalten, aber um seine Anhänger nicht noch mehr zu beunruhigen, tat er ihnen den Ge- fallen. Labhras und Sgruthgan waren verlässliche Helfer, standen loyal auf seiner Seite - jedoch nur, solange alles klappte und ihr persönliches Risiko nicht zu hoch war. Im Zweifelsfall, davon war Palgyr überzeugt, würde ihr eigenes Wohlergehen ihnen wichtiger sein als die Sache. Deshalb musste er auch bei ihnen stets auf der Hut sein. Es raschelte im Gebüsch, und Rambok erschien, der Ork, den Palgyr zu seinem Zauberschüler gemacht hatte. Der Entschluss dazu war aus einer Laune heraus geboren worden. Die Aussicht, den Rat zu demütigen und ihn mit den eigenen Waffen eine Niederlage zu bereiten, war Palgyr zu verlockend erschienen, um die Gelegenheit ungenutzt hätte verstreichen zu lassen. Inzwischen allerdings ging ihm der Unhold, dessen Dummheit geradezu bodenlos war und dessen Ungeschick beklagenswert, auf die Nerven.
Die Dämmerung war über der Waldlichtung hereingebrochen, auf der
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