Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Gesindel.«
»Aber ich bin kein ...«, setzte Granock zu einer Verteidigung an, um dann resignierend zu seufzen. Was sollte er lange erklären, wer er war und woher er kam - für die Leute aus dem Dorf machte es keinen Unterschied. Er war ein Fremder, ein Störenfried, und sie wollten ihn nicht bei sich haben, am allerwenigsten in dieser Nacht.
Der Wortführer der vier deutete sein Schweigen falsch und legte die Pranke demonstrativ auf den Griff des Dolchs, der an seinem Gürtel hing. Die Siedler des Westens waren bekannt dafür, dass sie hartgesottene Kerle waren, die nicht lange fackelten - anders hätten sie sich in diesem Land wohl auch kaum behaupten können.
»Schon gut«, sagte Granock und hob in einer Unschuldsgeste die Hände, nachdem er das Geld zurück in den Beutel gesteckt hatte. »Ich gehe schon. Aber ihr solltet wissen, dass dies nicht dem Wesen des Lichtfests entspricht. Das Fest ermahnt uns dazu, freundlich zu sein gegen jedermann, großherzig und ...«
»Es reicht«, verkündete der andere und zog den Dolch ein Stück aus der Scheide.
Granock trat den Rückzug an.
Erst da bemerkte er, dass die Musik ausgesetzt und die Leute aufgehört hatten zu tanzen. Alle standen nur da und starrten ihn an, und einmal mehr kam er sich verlassen und zurückgewiesen vor.
Er schalt sich einen Narren, weil er sich eingebildet hatte, dieses Lichtfest werde anders verlaufen als die vorherigen, und gesenkten Hauptes passierte er die Gasse, die die Dorfbewohner für ihn bildeten. Ihre Blicke, die voll stummer Anklage waren, trafen ihn wie Stockschläge, und er schwor sich insgeheim, niemals, niemals wieder das Lichtfest begehen zu wollen. Eine junge Frau starrte ihn an, als wäre er ein Monstrum, und eine alte Frau spuckte aus, als er an ihr vorbeiging. Am meisten jedoch traf ihn der Blick eines kleinen Jungen, der ängstlich vor ihm zurückwich.
Was, in aller Welt, hatten sie diesem Knaben erzählt? Dass er sich bei Vollmond auf einsamen Waldlichtungen herumtrieb und heimlich kleine Kinder fraß?
Der Blick des Knaben schmerzte ihn deshalb so, weil er ihm klarmachte, dass sich niemals etwas ändern würde, weder an diesem noch am nächsten Tag noch irgendwann. Stets würden die Leute in ihm einen Fremden sehen, einen Feind, den sie mieden und vertrieben - und diese ernüchternde Einsicht war es, die hilflosen Zorn in Granocks Adern schießen ließ und ihn dazu brachte, einen jähen Entschluss zu treffen ...
»Ihr wollt mich nicht in eurem Dorf haben?«, rief er, blieb stehen und wandte sich um. »Ihr jagt mich hinfort?«
»So ist es!«, rief der Wortführer der vier Kerle vom anderen Ende der Menschengasse. »Und jetzt verschwinde endlich, oder wir machen dir Beine!« Zustimmendes Gemurmel wurde laut, das Granock nur noch mehr in Rage brachte. »Von wegen!«, rief er. »Ich werde nicht gehen. Dieses Mal werde ich bleiben, und wir alle werden zusammen das Lichtfest feiern!«
»Willst du frech werden?«, scholl es zurück, während der Dolch endgültig aus der Scheide gerissen wurde und im Widerschein des Feuers blitzte. »Dann werde ich dir wohl zeigen müssen, was es heißt...«
Weiter kam der Hüne nicht.
Die Worte erstarrten auf seinen Lippen, und das im wörtlichen Sinn. Denn der Mann mit dem Dolch hatte jäh aufgehört, sich zu bewegen, ebenso wie alle anderen, die den Dorfplatz bevölkerten. Von Enttäuschung getrieben, hatte Granock seine Fähigkeit zum Einsatz gebracht, und aufgrund der unbändigen Wut, die er verspürte, war die Wirkung diesmal noch durchschlagender als sonst. Nicht nur der Wortführer, sondern jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf dem Dorfplatz waren erstarrt, samt der Abneigung in ihren Gesichtern.
»Und?«, fragte Granock in grimmiger Genugtuung. »Wollt ihr immer noch, dass ich gehe?«
Natürlich kam keine Antwort, und er ging die Gasse zurück zu dem Verkaufsstand, vorbei an dem Mann, der den Dolch in der Hand hielt und blöde vor sich hinstarrte.
»Zwei von denen mit Rosinen«, verlangte er und legte das Geld auf den Tisch, und als die reglose Siedlerin keine Anstalten machte, ihn zu bedienen, griff er einfach selbst zu. Herzhaft biss er in das Brot und genoss den süßherben Geschmack des Gewürzes, ehe er sich mit feierlicher Miene zu den erstarrten Dorfbewohnern umdrehte.
»Und jetzt«, verkündete er lauthals, »werden wir zusammen ein Lichtfest begehen, wie es noch keines gegeben hat...«
22. DRAGNADHA
Die erste Etappe der Reise war rasch vonstatten
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