Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Novizen sahen entsetzt, wie sich drei der vier sie umgebenden Wände bewegten. Riesige Gegengewichte, die irgendwo an rasselnden Ketten in die Tiefe sanken, sorgten dafür, dass sich die Mauern knirschend hoben und nach oben glitten, und von der anderen Seite drang flackernder Fackelschein in die Grabkammer.
Hinter den sich hebenden Wänden kamen bis an die Zähne bewaffnete Kämpfer zum Vorschein, gut zweihundert an der Zahl - und es waren Menschen! Allerdings keine von denen, die in den wilden Dschungeln Aruns hausten, wie auf den ersten Blick zu erkennen war. Denn während die Wildmenschen verdreckte Gestalten waren, mit primitiver Kleidung aus Tierhäuten, trugen diese Kettenhemden und schimmernde Brünnen mit blitzenden Helmen, und ihre Waffenröcke waren mit dem Wappen Andarils versehen.
Als Granock das vertraute Zeichen ausgerechnet an diesem Ort erblickte, glaubte er zunächst, erneut einer Halluzination zu erliegen, aber wenn dies zutraf, mussten seine Gefährten sie teilen, denn mit ungläubig geweiteten Augen starrten auch sie auf die Soldaten, die ihre Schwerter und Äxte kampfbereit erhoben hatten und die nur auf den Befehl zu warten schienen, die Eindringlinge in Stücke zu hacken. Die eisig kalten Blicke, die unter den mit Nasen- und Wangenschutz bewehrten Helmen hervorstachen, verrieten äußerste Entschlossenheit.
»Was, bei Sigwyns Ahnen ... ?«, rief Farawyn, der nicht weniger überrascht war als Granock. Verwirrt schaute er sich um und versuchte zu begreifen, was zweihundert gepanzerte Menschenkämpfer ausgerechnet an diesen Ort verschlagen hatte.
Auf einmal bildeten die Krieger eine Art Gasse, um einem Mann Platz zu schaffen, bei dem es sich augenfällig um ihren Anführer handelte. Sein Gang war der selbstbewusste Schritt eines Mannes, der sich in der Position des Stärkeren wähnte, und sein Gesicht unter dem blitzenden, mit Rosshaar verzierten Helm verzerrte sich zu einem Grinsen, als er sich mit verschränkten Armen vor den Elfen aufbaute und sie mit zu Schlitzen verengten Augen taxierte. Granock hatte das Gefühl, diesen Mann kennen zu müssen, jedenfalls hatte er ihn bereits einmal gesehen, wenn auch nur kurz ...
»So«, begann der Anführer der Krieger, auf dessen Waffenrock ebenfalls das Wappen Andarils prangte, »nun werden wir sehen, ob der Marsch durch diese grüne Hölle die Opfer wert war, die er forderte. Zwanzig meiner Männer sind dabei draufgegangen, wurden von Wilden erschlagen, von Raubtieren gefressen oder von giftigen Spinnen gebissen - aber nicht ein einziges Mal habe ich daran gedacht umzukehren, denn mehr als alles andere habe ich diesen Augenblick herbeigesehnt.« Er holte tief Luft, dann wies er mit ausgestrecktem Finger auf die beiden Elfinnen: »Wer von euch beiden spitzohrigen Weibern ist Alannah?«
»Wer will das wissen?«, fragte Farawyn, der seine Überraschung inzwischen verwunden hatte.
Einen Augenblick lang schien der Mensch nicht gewillt zu antworten, dann aber blies er seine Brust auf, und er hob das Kinn in unverhohlenem Hochmut. »Ich bin Erwein, Fürst von Andaril, und ich bin hier, um den feierlichen Schwur zu erfüllen, den ich geleistet habe: dass ich die Mörderin meines jüngsten Sohnes finden und seinen Tod blutig rächen werde ...«
24. AMGWYD CWYMPAN
Alannah war entsetzt.
Nicht so sehr des bitteren Racheschwurs wegen, den der Fürst von Andaril geleistet hatte, sondern weil ihr in diesem Moment klar wurde, dass die Vergangenheit sie eingeholt hatte.
Cethegar hatte ihr klargemacht, dass sie sich ihren Dämonen stellen musste und dass niemals eine Zauberin aus ihr werden würde, wenn ihr das nicht gelang. Dennoch hatte er sich in einer Hinsicht geirrt: Die Angelegenheit betraf nicht nur Alannah allein. Die Elfin mochte inzwischen die Schuld, die sie auf sich geladen hatte, als Ansporn nehmen, um Gutes zu tun, mochte Wiedergutmachung üben, indem sie ihre Gabe in den Dienst einer größeren Sache stellte. Aber es gab andere, die würden ihr niemals vergeben. »Antwortet mir!«, verlangte der Herr von Andaril, wobei seine funkelnden Blicke zwischen Meisterin Riwanon und Alannah hin und her pendelten. »Leugnen ist zwecklos. Ich weiß, dass eine von euch beiden jene mörderische Hure ist, die sich Alannah nennt und deretwegen ich hierhergekommen bin.« »Achte auf das, was du sagst!«, ermahnte ihn Granock. Er hatte den Fürsten von Andaril nur bei zwei oder drei Gelegenheiten zu sehen bekommen, und da auch nur aus weiter Ferne, weshalb er ihn
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