Die Zauberer 01 - Die Zauberer
die Spitze seines Schwertes ihre Brust berührte. »Und ich möchte nicht, dass Ihr denkt, dass ich mich aus Feigheit dem Gericht entzogen hätte.«
»Nein? Aus welchem Grund wohl sonst?«
»Weil ich die Einsicht gewonnen habe«, antwortete Alannah sanft, »dass der Tod Eures Sohnes nur dann einen Sinn bekommt, wenn ich Sühne übe, und zwar indem ich mein Leben, mein ganzes Sein dem Ziel weihe, andere zu retten. Als Zauberin von Shakara ist mir die Möglichkeit dazu gegeben.« »Elfisches Geschwätz!«, knurrte Erwein.
»Was Eurem Sohn widerfahren ist«, fuhr sie fort, »war ein schrecklicher Unfall. Zu jenem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von den Kräften, die mir innewohnen und die sowohl zum Guten als auch zum Bösen verwendet werden können. Diese Kräfte, von denen ich nichts ahnte, ließen sich damals noch nicht kontrollieren, deshalb trifft mich keine Schuld an dem, was geschah. Dennoch dürft Ihr mir glauben, dass mich der Tod Eures Sohnes an jedem einzelnen Tag bis in den Schlaf verfolgt und dass ich, sobald ich die Augen schließe, seinen durchbohrten Körper vor mir sehe, der ...« »Genug!«, herrschte der Fürst sie an und holte mit dem Schwert aus, um ihr den Kopf abzuschlagen. »Ich werde nicht zulassen, dass du elende Hexe sein Andenken besudelst!«
»Dennoch«, fuhr Alannah fort, in deren Augen Tränen glänzten, »weiß ich um den entsetzlichen Verlust, den ich Euch zugefügt habe, deshalb sollt Ihr Euren Willen bekommen. Ich liefere mich hier und jetzt Eurer Gerichtsbarkeit aus und bitte Euch um Verzeihung und um Gnade. Auf dass Ihr den Frieden finden möget, der mir versagt bleibt.«
»Nein!«, rief Farawyn energisch.
Alannah jedoch hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie senkte das Haupt und wollte vor Erwein auf die Knie sinken, der sein Schwert zum Schlag erhoben hielt, unbeeindruckt von Alannahs Worten.
»Das reicht jetzt!« Farawyn packte Alannah am Arm, riss sie hoch und von Erwein weg, dann schob er sie zu Aldur und Riwanon, die sich schützend vor sie stellten. »Du hast gehört, was sie gesagt hat«, beschied er Erwein. »Es war ein Unfall, und sie bedauert, was geschehen ist!«
»Wie rührend!«, entgegnete Erwein spöttisch.
»Wenn dir das nicht genügt, Fürst, ist das deine Sache. Alannah ist eine Novizin Shakaras und steht damit unter dem Schutz des Ordens der Zauberer. Weder kann ich noch werde ich sie dir überlassen.«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Allerdings.«
»Dann wird Blut fließen«, drohte Erwein.
»Sei kein Narr!«, beschwor ihn Farawyn. »Viele von euch werden sterben, vielleicht sogar alle!«
»Gut möglich«, räumte der Fürst ungerührt ein. »Aber wenn ich meine Klinge dafür im Blut der Mörderin baden kann, ist mir das den Verlust meiner Männer wert!«
Dann wandte er sich an Granock, der neben seinen Meister getreten war, die Fäuste in stillem Zorn geballt. »Du«, sagte er, »bist keiner von ihnen, deshalb steht es dir frei zu gehen. Mein Zorn richtet sich nur gegen die Mörderin und das Elfenpack, das sie beschützt.«
Granock zögerte, und er spürte, wie die Blicke seiner elfischen Gefährten auf ihm lasteten, besonders der von Alannah, die ihn in mancher Weise getäuscht hatte. Womöglich fürchtete sie, dass er sich nun gegen sie wenden würde, aber Granock war fest entschlossen, ihr und allen anderen eine Lektion in Sachen menschlicher Loyalität und Treue zu erteilen.
»Dann musst du auch mich vernichten, Fürst«, erwiderte er trotzig, »denn mein Platz ist bei meinen Gefährten.«
»Du verrätst deine eigene Rasse?«
»Unter meinesgleichen habe ich nie Freunde gehabt«, entgegnete Granock, »und in den Straßen der Stadt, über die du gebietest, habe ich gelebt wie ein herrenloser Köter. Diese Elfen jedoch haben mir ein Zuhause gegeben und mir beigebracht, was Freundschaft bedeutet. Bei ihnen habe ich alles gefunden, wonach sich mein Herz sehnte, also erwarte nicht, dass ich mich gegen sie wende.«
Der Fürst spuckte ihm vor die Füße. »Elender! Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Bogenschützen ...!«
Die mit Äxten, Schwertern und Schilden bewehrten Kämpfer in der vordersten Reihe knieten daraufhin nieder, und hinter ihnen kamen Bogenschützen zum Vorschein, die ihre Pfeile bereits auf den gespannten Sehnen liegen hatten. »Schießt sie nieder!«, gellte Erweins Befehl, und der gefiederte Tod flog dutzendfach auf die umzingelten Zauberer zu - allerdings nicht von allen drei Seiten, sondern nur von zweien,
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