Die Zauberer 01 - Die Zauberer
begreifen konnte, auch wenn es ihr nun schon zum zweiten Mal passiert war.
»Verzeih mir«, flüsterte sie und sank erneut auf die Knie, diesmal um sich zu vergewissern, dass der Koboldin auch wirklich nichts geschehen war. »Das das wollte ich nicht, bitte glaub mir ...«
»Sie glaubt dir«, erklärte Riwanon, »ebenso wie ich. Und natürlich verzeiht sie dir.«
Tue ich das ?
»Allerdings«, sagte die Zauberin in einem Tonfall, dem auch Niobe nicht mehr zu widersprechen wagte. »Im Grunde sind wir es, die sich entschuldigen müssen, mein Kind«, sagte sie dann zu Alannah. »Wir haben dich provoziert.« Alannah, die vor Entsetzen über sich selbst noch immer nicht klar denken konnte, schüttelte heftig den Kopf. »Nur mich trifft die Schuld. Ich allein habe ...« Sie verstummte, als ihr klar wurde, was Riwanon gerade gesagt hatte. »IIhr habt mich provoziert?«
»Ganz recht.« Die Zauberin nickte.
»Dann ... habt Ihr damit gerechnet, dass etwas Derartiges geschehen würde?«, fragte Alannah fassungslos.
»Mehr noch, mein Kind - wir haben es herausgefordert.«
»Aber ... wieso? Was habt Ihr davon?«
»Wir wollten wissen, woran wir bei dir sind.«
»Und nun wisst Ihr es?«
»Allerdings.«
»Dann verratet mir, was das zu bedeuten hat«, bat Alannah leise, fast flehend. »Was geschieht mit mir?«
Die Zauberin lächelte, als wollte sie der Dramatik des Augenblicks spotten. »Was dir widerfahren ist, mein Kind, wird unter uns Zauberern reghas genannt. Es ist eine Gabe, die du vom Schicksal erhalten hast.« »Eine Gabe?« Alannah lachte freudlos auf. »Wohl eher ein Fluch.« »Was du daraus machst, ist dir überlassen, denn auch ein freier Wille wurde dir gegeben«, entgegnete Riwanon. »Aber wisse, dass jeder, der dem Orden der Zauberer angehört, über eine solche Gabe verfügt. Es ist die Voraussetzung, um als Novize in die Ordensburg von Shakara aufgenommen zu werden. Wusstest du das?«
»Nein.« Alannah schüttelte den Kopf.
»Über eine solche Gabe zu verfügen, die wir kraft unserer Gedanken einsetzen können und die die Fähigkeiten eines gewöhnlichen Wesens bei Weitem übersteigt, bedeutet große Macht und damit auch Verantwortung. Bisweilen ist sie eine Bürde, aber wir helfen uns gegenseitig dabei, sie zu tragen. Die Frage ist, mein Kind, ob du dies möchtest - oder ob du in Zukunft auf dich allein gestellt sein willst.«
»Was genau bietet Ihr mir da an, dun'ra?«
»Ich biete dir an, mich zu begleiten.«
»Wohin?«
»In die Ordensburg nach Shakara, wo du als Novizin dem Bund der Zauberer beitreten wirst.«
»Ich? Eine Zauberin?«
»Der Gedanke erscheint dir abwegig?«
»Allerdings.«
»Dann denke an das, was du getan hast. Dieses Eis ist deinen Händen nicht aus Zufall entsprungen, Alannah. Die Vorsehung hat dir die Kraft dazu gegeben.«
»Die Vorsehung? Aber ich habe jemanden getötet...«
»Hat jemand eine solche Gabe und ist nicht imstande, sie zu kontrollieren, kann er damit furchtbaren Schaden anrichten, denn dann gehorcht sie den dunklen Stimmen, die in jedem von uns sprechen und die wir als Zorn, Hass und Furcht kennen. Dies wollte ich dir zeigen, deshalb hatte ich Niobe gebeten, dich herauszufordern.«
Alannah blickte auf ihre Hände. »Und wenn ich diese Gabe gar nicht will? Wenn ich sie nur rasch wieder loswerden möchte?«
»Es gibt keinen Weg, sich ihrer auf Dauer zu entledigen. Man könnte versuchen, sie erlöschen zu lassen, dir die Erinnerung daran zu nehmen - aber irgendwann würde sie zurückkehren. Du musst dich deiner Gabe stellen, Alannah. In Shakara wirst du lernen, mit ihr zu leben und sie zum Nutzen aller einzusetzen.«
»Und ... die Ehrwürdigen Gärten?«
»Die Gärten musst du nach allem, was geschehen ist, ohnehin verlassen«, antwortete die Zauberin hart, »hier ist kein Platz mehr für dich. Aber ich biete dir ein Leben in Gemeinschaft und unter Gleichgesinnten, wohingegen du ausgestoßen und auf dich gestellt wärst, entschiedest du dich gegen meinen Vorschlag. Natürlich liegt es bei dir - aber bedenke, dass es auf der ganzen Welt kein einsameres Wesen gibt als jenes, dessen Fähigkeiten größer sind als die der anderen. Man wird dich meiden und hassen.«
»Und was wird Lordrichter Mangon dazu sagen?«, fragte Alannah. »Er will, dass ich bestraft werde ...«
»Folgst du mir nach Shakara, wirst du ihn nie wiedersehen.«
»Wie ist das möglich?«, fragte Alannah, die sich diesen Gesinnungswandel nicht erklären konnte. Hatte der Lordrichter bei
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