Die Zauberer 01 - Die Zauberer
des Nordwalls zurückgeblieben, die Eiswüste selbst zeigte sich als blendend weiße Fläche, die sich nach allen Seiten hin scharf gegen den immergrauen Himmel abgrenzte.
Je weiter es nach Norden ging, desto weniger Macht hatte die Nacht über den Tag; nur wenige Stunden währte die Dunkelheit, dann konnte der Eissegler seinen Weg schon wieder fortsetzen. Und endlich, als Aldur aus seiner Kajüte trat, um den neuen Tag zu begrüßen, erblickte er in der Ferne, worauf er die ganze Zeit über so ungeduldig gewartet hatte.
Shakara.
Dieser Augenblick, da die Ordensburg in der Ferne auftauchte und er jenen Ort, den er bislang nur aus Erzählungen kannte, zum ersten Mal mit eigenen Augen sah, würde ihm für immer unvergesslich bleiben, davon war Aldur überzeugt.
Stolz und erhaben hob sich die Eisfestung gegen das Grau des Himmels ab, ein trutziges Bollwerk inmitten der Schneewüste, umgeben von Eisnadeln, die die Ordensburg wie stumme Wächter umgaben. Die Festung selbst mutete auf den ersten Blick wie ein riesiger zerklüfteter Eisberg an; wer sich ihr jedoch näherte, der erkannte, dass sie aus glitzernden Mauern und blendend weißen, von Zinnen gekrönten Türmen mit schmalen Fenstern bestand. Am auffälligsten war die Flamme, die auf dem höchsten Punkt der Zitadelle loderte und blaues Licht verbreitete. Sie war das Symbol des Ordens und stand für jene hohe Kunst, die im ehrwürdigen Shakara gelehrt und betrieben wurde.
Magie ...
Weder erhielt die Flamme Nahrung, noch stiegen von ihr Rauch oder Hitze auf. Zauberkraft war es, die sie nährte, jene Energie, die den Elfenkristallen innewohnte und die ihnen nur die Weisen zu entlocken vermochten. Schon von Weitem wies die Wächterflamme jenen, die nach Shakara gelangen wollten, den Weg - und schreckte zugleich jene ab, die sich der Festung in unlauterer Absicht näherten.
Und das seit Jahrtausenden.
Noch nicht einmal während des Großen Krieges, als das Heer der Orks über Erdwelt hergefallen war und Margok versucht hatte, die Elfenkrone an sich zu reißen, war Shakara Ziel eines Angriffs gewesen; selbst der Dunkelelf hatte es nicht gewagt, seine frevlerischen Klauen nach jener geweihten Stätte auszustrecken, die die Heimat so vieler Helden des Goldenen Zeitalters gewesen war.
Auch die wenigen Menschen, die die Eiswüste bevölkerten und die, anders als ihre Artgenossen aus dem Süden, noch immer wenig mehr als Tiere waren, wagten es nicht, der Festung zu nahe zu kommen; die Eisbarbaren glaubten, dass Shakara die Heimat höherer Wesen sei, was in gewisser Weise ja der Wahrheit entsprach. Schon die Eissegler, mit denen die Elfen die yngaia zu durchfahren pflegten, waren für diese Kreaturen mit ihrem schlichten Verstand Wunderwerke. Unvorstellbar, dass sie jemals lernen könnten, selbst damit umzugehen, oder dass je auch nur einer von ihnen seinen frevlerischen Fuß in die Ordensburg setzen könnte. Wer behauptete, dass die Menschen den Elfen ähnlich oder gar ebenbürtig wären, der brauchte sich nur diese Primitiven anzusehen, um eines Besseren belehrt zu werden.
Dies war Aldurs innerste Überzeugung.
Zudem war er der Auffassung, vom Schicksal auserwählt zu sein, ein Erleuchteter unter Erdwelts Kreaturen. Sein Leben lang hatte man ihm klargemacht, wie außergewöhnlich er doch sei und wie einzigartig seine Begabung, und er war bereit und willens, endlich die Früchte dieser besonderen Segnung zu ernten. Er stellte sich vor, wie man ihn in Shakara empfangen, wie man die große Pforte für ihn öffnen und ihn in allen Ehren willkommen heißen würde, so wie es sich für den Sohn eines verdienten Magiers geziemte.
Was das betraf, erlebte der junge Elf jedoch eine herbe Enttäuschung ... Aldur sprang von Bord, kaum dass der Eissegler vor den Toren Shakaras zum Stillstand gekommen und Anker geworfen hatte. Er wartete nicht erst ab, bis die Landeplanke angelegt war, und überließ es seiner Gefolgschaft, den wenigen weltlichen Besitz zu entladen, der ihm geblieben war: Neben einigen Schriftrollen und Kleidungsstücken war dies Alaric, der stolze Hengst, den ihm sein Vater für die weite Reise nach Norden geschenkt hatte. Seine wohl wichtigsten Besitztümer jedoch trug Aldur bei sich, nämlich die Krone der Volljährigkeit und das Schreiben an den Ordensmeister Semias, das sein Vater ihm mitgegeben hatte. Forsch trat er vor die Pforte, deren Flügel noch immer geschlossen waren, und begehrte Einlass.
»Öffnet das Tor!«, verlangte er selbstbewusst und mit
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