Die Zauberer 01 - Die Zauberer
lauter Stimme, die sogar das laute Heulen des Windes übertönte, der klagend um die Mauern der Ordensburg strich. »Öffnet das Tor für Aldur, des Aldurans Sohn, der gekommen ist, um seine Ausbildung abzuschließen!«
Die Worte verhallten - wie es schien - ungehört. Der Wind trug sie davon, ohne dass sich das mit blitzendem Silber beschlagene Tor auch nur einen Spalt geöffnet hätte.
»Öffnet!«, verlangte Aldur erneut. »Hier ist Aldur, des Aldurans Sohn ...!« Diesmal erfolgte eine Reaktion, wenn auch ganz anders, als Aldur es sich vorgestellt hatte. Denn nicht etwa die hohe Pforte, die ihn an Größe um das Sechsfache überragte, öffnete sich, sondern eine sehr viel kleinere Tür, die seitlich davon ins Eis eingelassen und so mit diesem verbunden war, dass selbst das elfische Auge sie nicht entdecken konnte.
Blaues Licht drang aus dem Inneren hervor, in dem die Silhouette einer hageren, in einen weiten Umhang gehüllten Gestalt zu erkennen war. »Aldur, des Aldurans Sohn?«, erkundigte sie sich.
»J-ja«, bestätigte Aldur ein wenig verwirrt. Verstohlen blickte er nach dem Haupttor, das jedoch noch immer fest verschlossen war.
»Wir haben dich erwartet«, erklärte der Hagere und machte einen Schritt zur Seite, um ihn eintreten zu lassen.
Aldur zögerte. Er musste zugeben, dass er sich seine Ankunft in Shakara anders vorgestellt hatte - allerdings war er noch nie zuvor an diesem Ort gewesen und kannte die lokalen Gepflogenheiten nicht.
Zumindest hatte der Pförtner gesagt, dass man ihn erwartete. Das war wenigstens schon etwas ...
Er überwand seine Verwunderung und trat ein. Jenseits der Tür war ein niedriger Gang. Die gewölbte Decke wurde von Pfeilern aus Eis getragen, die jedoch keinerlei Schmuck oder Verzierung aufwiesen. Aldur gestand sich ein, dass er ein wenig enttäuscht war. Sollte dies der Ort sein, der ihm von seinem Vater stets wortreich und in den prächtigsten Farben geschildert worden war? Natürlich, es waren einige Jahrhunderte vergangen, seit Alduran die Ordensburg besucht hatte. Womöglich hatten sich einige Dinge verändert... »Folge mir«, sagte der Hagere, der eine eigentümliche Haartracht trug; sowohl sein graues Haupthaar als auch sein Bart waren zu zahllosen langen Zöpfen geflochten. Der energische Blick, der unter den buschigen Augenbrauen hervorstach, berührte Aldur unangenehm, und die sonore Stimme schien keinen Widerspruch zu dulden. Für einen Pförtner, empörte sich der junge Elf, trat der Hagere reichlich unverschämt auf.
Aldur tat dennoch wie ihm geheißen und folgte dem Fremden den Gang hinab. Hinter ihnen schloss sich die Tür mit dumpfem Klirren und ließ das Eis des Korridors erbeben.
»Was ist mit meinem Gepäck?«, erkundigte sich Aldur. Seine Stimme hörte sich seltsam dumpf und kraftlos an.
»Du wirst es nicht brauchen«, beschied ihm der Pförtner.
»Aber ich wüsste trotzdem gern, wo es geblieben ist«, beklagte sich Aldur. »Das Pferd, das sich in meinem Besitz befindet, ist ein überaus wertvolles Tier, aus dem Gestüt Aldur ans und ...«
Er verstummte, als der andere stehen blieb, sich umwandte und ihn mit einem eisigen Blick bedachte. Ohne ein Wort zu verlieren, drehte sich der Pförtner wieder um und setzte seinen Weg fort.
»Vielleicht«, rief Aldur ihm hinterher, »hast du nicht verstanden, wer ich bin. Mein Name ist Aldur, des Aldurans Sohn. Ich bin nach Shakara gekommen, um meine Ausbildung abzuschließen und ein großer Magier zu werden, der ...« »Ein großer Magier?«, fragte der andere über die Schulter zurück. »Woran erkennt man, dass ein Magier groß ist?«
»Nun«, antwortete Aldur forsch, »ein großer Magier ist der, der über große Macht verfügt, oder nicht?«
»Nein.« Erneut blieb der Pförtner stehen und wandte sich um. »Ein großer Magier ist der, der seine Macht einsetzt, um Großes zu tun. Steht dir der Sinn nach Heldentaten, Aldur? Nach unsterblichem Ruhm? Nach einem Platz in den Chroniken der Geschichtsschreiber?«
»Durchaus«, antwortete Aldur unverblümt.
»Das dachte ich mir«, entgegnete der Pförtner düster und wollte weitergehen. »Dieses Schreiben«, rief Aldur und griff unter seinen Umhang, um den ledernen Köcher hervorzuziehen, »ist an Vater Semias gerichtet, den Vorsteher dieses Ordens.«
»Ich weiß durchaus, wer Semias ist«, erwiderte der andere, »allerdings bezweifle ich, dass du dir schon das Recht erworben hast, ihn >Vater< zu nennen.«
»V-Verzeihung«, stammelte Aldur betroffen,
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