Die Zauberer 01 - Die Zauberer
obgleich er sich schon im nächsten Moment fragte, weshalb er, ein Elf aus vornehmem Hause, sich vor einem Pförtner entschuldigte. Er beschloss, seinen Ärger
hinunterzuschlucken, sich jedoch bei nächster Gelegenheit über den Bediensteten zu beschweren. Immerhin nahm der Hagere das Schreiben entgegen, ließ es dann aber unter seinem Umhang verschwinden - Aldur konnte nur hoffen, dass es seinen Adressaten auch erreichte.
Nachdem sie ein weiteres Stück gegangen waren, dachte Aldur, der Gang würde nun enden und er etwas von der Pracht und Herrlichkeit Shakaras zu Gesicht bekommen. Aber er wurde abermals enttäuscht. Der Gang verbreiterte sich lediglich und wurde ein wenig höher. Zu beiden Seiten waren die Wände von schmalen Türen durchbrochen. Eine davon stand offen, und im blauen Licht,
das den Gang erhellte, konnte Aldur in eine kleine, schmucklose Kammer mit Wänden aus nacktem Eis sehen. Möbel gleich welcher Art gab es nicht, ein Loch im Boden diente offenbar der Verrichtung der Notdurft.
»Bitte sehr«, sagte der Pförtner, auf die Zelle deutend.
»Bitte sehr?«, echote Aldur, der nicht wusste, was der Alte von ihm wollte. »Deine Unterkunft«, wurde der andere deutlicher.
»Meine - was?« Aldur warf einen weiteren, missbilligenden Blick in die Zelle. Besonders das Loch im Boden löste spontanen Widerwillen in ihm aus. »Hier wirst du die Zeit bis zu deiner Berufung verbringen«, erklärte der Hagere, »in Stille und Meditation.«
»I-ich verstehe«, sagte Aldur zögernd. »Und wie lange wird es dauern, bis ich ...?«
Erneut brachte ihn der scharfe Blick des anderen zum Schweigen - und Aldur glaubte zu verstehen: Dieser überaus kühle Empfang, diese karge Unterkunft, all das gehörte bereits zu seiner Ausbildung. Der Ordensmeister wollte sehen, ob Aldur bereit war für die Herausforderungen von Shakara. Man wollte herausfinden, welche Opfer er zu bringen bereit war. Natürlich, so musste es sein.
Mit einem knappen Nicken wollte er die Zelle betreten, der Pförtner jedoch ergriff seinen Arm, um ihn zurückzuhalten.
»Was ist denn noch?«, fragte Aldur gereizt.
»Dein weltlicher Besitz«, erklärte der Hagere. »An diesem Ort brauchst du ihn nicht.«
»Mein weltlicher Besitz?« Aldur blickte an sich herab. »Aber ich habe nichts mehr außer der Kleidung, die ich am Leibe trage.«
Der Pförtner nickte, und für einen Moment kam es Aldur so vor, als huschte ein Lächeln über seine bärtigen Züge. »Genau von diesem Besitz spreche ich, bashgan.«
Aldur musste tief Luft: holen, um das zu verdauen. Nicht nur, dass der unverschämte Alte ihn mit einer Bezeichnung für Dienstboten angesprochen hatte - er verlangte auch noch von ihm, seine Kleider abzulegen! »Aber ich ...«
»Worauf wartest du?«, fragte der Pförtner ungehalten, und Aldur beugte sich instinktiv der Autorität in seiner Stimme. Außerdem versuchte er sich erneut einzureden, dass all dies bereits zu seiner Ausbildung gehörte und Teil einer Prüfung war, der man ihn unterzog.
Mir grimmiger Miene löste er die Verschnürung seines Umhangs und legte ihn ab. Dann entledigte er sich seiner Stiefel und der reich bestickten Tunika, unter der er ein wollenes Untergewand trug. Auch dieses verlangte der Pförtner von ihm und ebenso die Hosen. Auch das letzte Stück Stoff, das seine Blöße bedeckte, musste Aldur ablegen, sodass er schließlich völlig nackt vor dem Alten stand, zitternd am ganzen Körper vor Kälte und Scham. Von dem Hochgefühl, das ihn erfüllt hatte, als er übermütig vom Deck des Eisseglers gesprungen war, war nichts mehr geblieben. Des Aldurans Sohn fühlte sich elend und wertlos, kam sich klein und gedemütigt vor, was noch nie zuvor in seinem Leben der Fall gewesen war. Gesenkten Hauptes wollte er sich abwenden und in die Zelle treten, doch der Pförtner ließ ihn noch immer nicht gehen.
»Was wollt Ihr denn jetzt noch?«, fragte Aldur verzweifelt, und es fiel ihm nicht einmal auf, dass er die respektvolle Anrede gebrauchte. »Ich habe Euch alles gegeben, was ich hatte!«
»Eines fehlt noch.« Der Alte deutete auf Aldurs Stirn, die noch immer der silberne Reif der Volljährigkeit schmückte.
»Auch das noch«, seufzte der junge Elf, griff nach der Krone, die ihn weder vor der Kälte schützen noch seine Blöße zu verhüllen vermochte, und gab sie dem Alten. »Aber Ihr sollt wissen, dass ich mich beim Ordensmeister beschweren werde.«
»Tu das nur, bashgan «, sagte der Pförtner gelassen, während er ihn
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